Das Kreuz des Zitronenkraemers
hatte um zu fragen, ob du vielleicht bei mir bist. Hat dich nämlich schon den ganzen Tag gesucht.“ „Ich muss ihn anrufen“, rief Hannes aufgeregt. Wo hatte er nur sein Handy gelassen?
„Hannes, beruhige dich!“ Anne griff nach seiner Hand. „Hab ich doch längst erledigt. Nun lass mich doch mal ausreden.“ Meine Anne, dachte Hannes wehmütig. Aber schon bekam er eine neue Schrecksekunde. „Und Paula?“
„Hannes Harenberg“, langsam wurde Anne leicht zickig, hielt seine Hand aber trotzdem weiter fest. „Ich habe gesagt, lass mich ausreden! Also, ich wollte gerade Peter anrufen, als das Telefon in meiner Hand klingelte. Barbara war dran. Sie war vollkommen aus dem Häuschen. Sie erzählte, dass du ihr blutend und verletzt im Hof vor die Füße gefallen wärest, sie sofort 110 angerufen hat und kurze Zeit später dann RTL eine Folge von Notruf bei ihr auf dem Hof gedreht hätte. Zur selben Zeit kam dann auch noch Paula mit einer bis zum Boden triefenden Zunge angerast und wollte sich selbstverständlich sofort an deiner Rettung beteiligen. „Mein tolles Mädchen“, seufzte Hannes stolz und liebevoll. „Von wegen tolles Mädchen“, lachte Anne, „laut Barbara hat sie versucht, die Notärztin von dir wegzubeißen. Unsere gute Frau Leuchtbach hat sie daraufhin in eine leere Pferdebox gesperrt. „Das kann man ihr nicht vorwerfen, sie wusste doch nicht, was … “, verteidigte Hannes seine Hündin. Anne tätschelte ihm die Backe. „Ist ja schon gut, du weißt doch, dass ich Paula auch klasse finde. Auf jeden Fall kann sie bei Barbara bleiben, bis du wieder da bist. Vermutlich tollt sie schon jetzt glücklich mit ihren Freunden, den Terriern, herum.“
In diesem schönen Moment wurden die beiden leider gestört. Eine neue Schwester, die sich freundlich als Schwester Sandra vorstellte, kam an Hannes Bett und berichtete, dass sie ihn nun mit zur Station nehmen würde. Also zuckelten sie los, Anne fuhr zu Hannes Freude mit und half das Bett schieben. Im Aufzug fragte sie ihn dann, wie es überhaupt zu diesem Unfall gekommen sei. Verstohlen blickte Hannes in Richtung der Schwester und erzählte die Geschichte von dem maroden Hochsitz und dem Holzbalken, der ihn angegriffen hatte. Dabei warf er Anne bedeutungsschwangere Blicke zu und an ihrem Gesichtsausdruck merkte er, dass sie verstand, dass er ihr die Wahrheit erzählen würde, wenn sie wieder alleine wären.
Endlich war es soweit. Hannes wurde in ein Einzelzimmer verfrachtet. Gott sei Dank war er ja als selbständiger Winzer privat versichert. Jetzt erzählte Hannes endlich der immer ungläubiger dreinblickenden Anne die Geschichte, wie sie wirklich abgelaufen war. Unterbrochen wurden sie dabei noch einmal von Dumbo, der Hannes nur mitteilen wollte, dass er keine Hirnblutung aufzuweisen hätte. Eine Nacht zur Beobachtung müsse er aber dennoch bleiben. Sicher ist sicher. Morgen könnte er dann wieder nach Hause. Wenn alles stabil bliebe. Na gut.
Später, als Anne weg war, betrachtete Hannes das blütendweiße Krankenhauslaken. Auf jeden Fall besser als im Knast, dachte er bei sich, man muss eben alles Mal ausprobieren. Außerdem freute er sich auf morgen, Anne würde ihn abholen kommen.
Kapitel 15
Er hatte die durchgefeilte Kette so drapiert, dass sie nicht direkt auffallen würde. Das Messer aufgeklappt in der Höhle der rechten Hand.
Unauffällig lag er auf seiner Matratze. Wie auch sonst immer, wenn der Mann kam.
Andreas war hundemüde. Wie lange hatte er nun wohl schon gewartet? Aber er durfte nicht einschlafen. Er musste sich wach halten. Es war so schwer. Die Augen fielen immer und immer wieder zu.
Er sehnte das Quietschen der Tür herbei, den Schein der Lampe im Gang. Es musste doch bald soweit sein. Übermorgen komme ich wieder, hatte er gesagt. Es musste bald soweit sein. Andreas hatte sich seine eigene Zeitrechnung entwickelt. Er maß Stunden und Tage an der Fülle seines Exkrementeneimers und am Schwinden seiner Vorräte. Nur noch eine halbe Flasche Wasser war übrig. Essen hatte er keins mehr. Die Öllampe war fast ausgebrannt. Bald würde er kommen.
Andreas überlegte, ob er es wagen könnte, noch einmal zu dem kleinen Tisch zu gehen und das restliche Wasser zu trinken, als er erleichtert und nervös zugleich ausatmete.
Die Tür war geöffnet worden. Schon konnte er das flackernde Licht erahnen. Jetzt kam es auf ihn an. Er hielt das scharfe Messer fest in seiner Hand. Mit einem letzten Blick kontrollierte er die Kette.
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