Das Kreuz des Zitronenkraemers
drücken.
Mit dem Hörer in der Hand schlurfte sie grüblerisch zurück zum Sofa. Sie nahm das Bild wieder auf. Wahrscheinlich ging es dabei gar nicht um den Penner. Der war wahrscheinlich nur zufällig mit auf dem Foto, glaubte Anne den Sinn und Zweck der Aufnahme zu durchblicken. Eigentlich wollte mir nur jemand demonstrieren, dass er weiß, dass in meinem Kamin gearbeitet wird. Und zwar der, der bereits vorher darin nach den Papieren gesucht hatte. Der Einbrecher. Wahrscheinlich konnte er sich denken, dass die Arbeiter möglicherweise was finden würden. Deshalb hatte er den Wagen der Kaminfirma vor ihrem Haus fotografiert und ihr dieses Bild zukommen lassen. Und Hannes niedergeschlagen. Anne konnte die Angst körperlich spüren. Eine Gänsehaut überzog ihre Unterarme. Sie musste ihn anrufen und warnen. Aber Hannes hatte natürlich kein Telefon anmelden wollen. „Aber Anne. Es ist doch nur die eine Nacht. Ist doch unnötig, oder hältst du es nicht eine ganze Nacht aus, ohne noch mal mit mir zu sprechen? Dann mach ich es natürlich“, mit diesen Worten hatte Hannes sie noch vor einer Stunde angelacht. Und jetzt lag er allein und hilflos in diesem Einzelzimmer.
Panik fraß sich langsam und unaufhaltsam in Annes Nacken. Sie rief die Auskunft an und erfragte die Nummer des Krankenhauses. Dort befand sie sich zunächst mal in einer Warteschleife und konnte dieses dämliche „Please hold the line“ und die passende Kaufhausmelodie dazu schon nicht mehr hören, als endlich der Pförtner das Gespräch annahm und sie umgehend mit der Station verband. Dort meldete sich eine hektisch wirkende Schwester, die es zwar sehr bedauerte, aber leider kein Gespräch durchstellen könnte, wenn der entsprechende Apparat nicht angemeldet sei. „Können Sie denn wenigstens mal nachsehen, ob es ihm gut geht?“, störte Anne flehend weitere Ausführungen. „Nun eigentlich, habe ich überhaupt keine Zeit“, stöhnte die Schwester genervt, „aber …, na gut, warten Sie einen Augenblick.“ Anne hörte, wie der Hörer auf irgendetwas abgelegt wurde. Im Hintergrund Stationsgeräusche. Gemurmel von Menschen, ein entferntes Bimmeln eines weiteren Telefons und das ununterbrochene Geläute von den Patientenklingeln. Anne hatte ein schlechtes Gewissen, auch noch für Extraarbeit gesorgt zu haben. Im selben Moment hörte sie das Herannahen von Fußgetrappel. Mit einem „Hallo“ wollte die Schwester wissen, ob Anne noch dran wäre. „Ja“, erwiderte diese aufgeregt. „Geht es ihm gut?“ „Herr Harenberg schläft wie ein Baby“, ließ die Schwester verlauten und fügte dann noch bestimmend hinzu: „Ich werde ihn nicht wecken, unsere Patienten brauchen ihre Ruhe.“ Annes Angst war ein bisschen besänftigt, aber ihre Stimme zitterte wahrscheinlich trotzdem noch, als sie sich bei der Schwester für ihr Bemühen bedankte. „Machen Sie sich mal keine Sorgen“, plapperte diese nämlich nun in einem typischen Krankenschwester Slang weiter: „Herr Harenberg ist bei uns in guten Händen. Und wenn was sein sollte, rufen wir Sie an, ich sehe, wir haben Ihre Nummer auf dem Aufnahmedokument notiert. Wiederhören.“
„Äh, ja, Wiederhören“, stotterte Anne noch hinterher, als die Leitung bereits tuutete.
Erstmal durchatmen. In so einem Krankenhaus wird ja wirklich ständig nach den Patienten gesehen. Anne erinnerte sich, dass der Arzt angeordnet hatte, dass, „der Herr Harenberg engmaschig kontrolliert werden solle.“
„Ha!“ Anne kullerte fast von der Couch, so sehr hatte sie sich erschrocken. Voller Grausen fixierte sie den munter singenden Telefonhörer auf dem Tisch. Sie würde nicht direkt rangehen. Es konnte nicht mehr lange dauern und der Anrufbeantworter würde ihr diese Arbeit abnehmen. Dann konnte sie erst mal hören, wer da anrief. Was sollte sie nur tun, wenn man sie wirklich erpressen wollte? Endlich war es soweit.
„Hey, Anne, warum meldest du dich nicht zurück? Hier ist Jutta! Sag mal, hast du Micha denn schon erreicht? Was sagst du zu dem Foto? Erkennst du den Typ? Mann, ist das alles spannend. Melde dich … “
„Jutta, bist du noch dran?“, keuchte Anne in den Hörer, nachdem sie vorher zweimal auf den falschen Knopf gedrückt hatte. „Mensch, Anne, bist ja doch da. Und, was sagst du? Warum hast du nicht zurückgerufen?“ „Sagen? Zu was? Zurückrufen konnte ich nicht. Hannes liegt im Krankenhaus. “ „Ach so“, quasselte Jutta einfach weiter. Hannes Schicksal schien sie nicht weiter zu
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