Das Kreuz des Zitronenkraemers
nahm einen Schluck Apfelschorle. „Mittlerweile wusste Michael ja von dem Einbruch in deine Wohnung, sollte ich ihm ja erzählen und dann beobachten. Aber natürlich gab es nichts zu beobachten, zu dieser Zeit war Michael ja Gott sei Dank schon geheilt von dir und hat sich also vollkommen unauffällig verhalten.“
„Nun komm doch mal zum Punkt.“ Jetzt wurde Anne langsam ungeduldig. „Also, auf dem Weg zum Spielsalon ist er bei deinem Haus vorbeigekommen und siehe da, dieser Typ schlich schon wieder dort rum. Und nicht nur das. Er wühlte auch noch in den Mauerabfällen deines Kamins, welche sich unten zur Entsorgung auf dem Laster der Kaminfirma befanden. Da hat es bei Micha Klick gemacht!“ Jutta erzählte weiter euphorisch, dass Micha geistesgegenwärtig sein Handy gezückt hätte und den Mann sozusagen in Flagranti erwischt und fotografiert hatte. Michael sei wirklich klug, bekräftigte Jutta nochmals, er hätte sofort kombiniert. Erst der zerstörte Kamin beim Einbruch, jetzt die Kaminabfälle. Da hatte doch bestimmt jemand was Spezielles gesucht. Und dann hatte er Anne getroffen und bemerkt, dass sie doch tatsächlich ihn verdächtigt. „Er war wirklich fix und fertig“, bemerkte Jutta betroffen, „deshalb kam er gleich zu mir und hat offen über alles gesprochen. Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin. Und zur Krönung liefert er dir noch das Foto des Einbrechers.“
„Ja, aber man kann doch überhaupt nichts von dem Mann erkennen“, warf Anne ein. „Das stimmt schon, aber überleg doch mal, du kannst in Zukunft auf diesen Mann achten, vielleicht siehst du ihn ja bald selber mal und dann, schwupps, die Polizei anrufen. Und die Welt ist wieder in Ordnung!“
Anne seufzte. Wenn das mal so einfach wäre. „Hast du eigentlich was über diese Dokumente rausgefunden?“, wollte Jutta noch wissen, scheinbar schien sie doch noch andere Gedanken als die an Michael in ihrem Kopf zuzulassen. „Morgen bekomme ich eine Übersetzung.“ „Siehst du, das ist doch toll, alles wird gut.“ Jutta erkundigte sich doch tatsächlich dann auch noch höflich nach Hannes und Anne tischte ihr die Hochsitzstory auf. Dann bat sie Jutta noch, sich in ihrem Namen bei Michael zu entschuldigen. „Klar, mach ich“, trompetete diese glücklich, „mach ich nachher, wir gehen nämlich heute Abend essen.“
„Sag mal, eine Sache ist mir doch noch unklar.“ „Ja?“ Jutta wartete. „Beeil dich, ich muss mich doch noch fertig machen“, trieb sie Anne zur Eile. „Warum hat Michael mir sein Foto nicht direkt gezeigt? Auf dem Handy?“ „Das wollte er ja. Aber er sagte, du wärst regelrecht vor ihm weggelaufen, hättest ihn einfach stehen lassen und dich letztendlich in der Apotheke versteckt.“ „Oh, ja“, diese Erinnerung war Anne jetzt doch leicht peinlich.
Nach dem Gespräch wanderte Anne zum Anrufbeantworter und drückte die Wiedergabe. Es war tatsächlich nur Jutta, kein Erpresser. Dann war ja alles aufgeklärt. Niemand wollte sie erpressen und dazu Hannes als Geisel nehmen. Anne spürte ihr Herz schlagen. Hannes war wirklich der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Mit nichts könnte man sie besser erpressen. Anne nahm das Foto vom Tisch und ging zum Küchenfenster. Von dort hatte sie einen guten Ausblick auf den Beginn der Fußgängerzone und den Viehmarkt. Sie suchte die Umgebung mit den Augen ab.
Einen Mann mit Mütze und Sonnenbrille konnte sie aber nirgends entdecken.
Ein klitzekleiner Rest der furchtbaren Angst blieb. Kurz entschlossen warf Anne das Foto auf den Küchentisch, schnappte sich ihren Schlüsselbund und war schon aus der Wohnung. Sie würde zum Stall fahren. Paula abholen. Dann würde sie sich in dieser Nacht sicherer fühlen. Außerdem hatten sie dann morgen früh diesen Weg gespart.
Kapitel 17
„Verdammt, verdammt!“ Anne traute sich einfach nicht, die Hose auszuziehen. Dabei war sie schon viel zu spät dran. Erst hatte sie mit Hannes ewig im Krankenhaus warten müssen, bis all seine Entlassungspapiere zur Hand waren. Dann war sie noch eine ganze Zeit lang bei ihm geblieben. Hatte ihm ein Lager auf dem Sofa bereitet und ihm alles Mögliche zur Seite gestellt. Getränke, Häppchen, ein Buch, die Fernbedienung, Schmerztabletten.
Der Reißverschluss der Reithose war bereits offen und Anne stierte in die Ecke. Dort saß eine riesige schwarze Spinne mit mindestens zwei Meter langen Beinen direkt unter dem Waschbecken. An einem Bügel am Haken der Badtür hing ihr hellblaues
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