Das Kreuz des Zitronenkraemers
interessieren. Jutta sprudelte förmlich über. So aufgekratzt kannte Anne ihre alte Freundin ja gar nicht. „Aber das Foto von Micha hast du doch bekommen, oder?“ „Wieso Foto von Micha? Das ist doch nie und nimmer Michael, der Kerl ist doch viel älter. “ „Mein Gott, Anne, bisher habe ich dich ja immer für ein kluges Mädchen gehalten. Natürlich ist der Mann auf dem Bild nicht Michael. Michael hat das Foto geschossen!“ Jutta klang nun regelrecht stolz. Anne verstand überhaupt nichts mehr. „Aber warum?“
„Begreifst du das wirklich nicht? Anne, dieser Mann auf dem Foto ist vermutlich unser Einbrecher!“ „Aber, wie kommst du darauf? Zugegeben, er passt zu der Beschreibung des Apothekers bezüglich des Rosenlieferanten.“ „Micha hat erzählt, dass er diesen Kerl sehr häufig in deiner Nähe beobachtet hat.“ Der Verlauf dieses Gesprächs kam Anne mit jedem Satz von Jutta immer spanischer vor. Jetzt wollte sie alles wissen. Von Anfang an und schön der Reihe nach. „Ja, wo fange ich denn da am besten an?“, überlegte Jutta noch kurz, dann schnatterte sie los. Michael war zu ihr gekommen, um mit ihr zu reden. Heute Mittag, nachdem Anne ihn vor dem Spielcasino getroffen hatte. Und er hätte es zugegeben. Dass er Anne hinterher gestellt hätte. Dass er auf diese Weise gehofft hatte, sie mal zu treffen. Aber das sei nun schon länger vorbei. „Und was hatte er dann heute Mittag hier verloren?“, wollte Anne misstrauisch wissen. „Nun warte doch mal, ich bin doch noch nicht fertig“, brummte Jutta unwirsch. Sie druckste ein bisschen herum. „Ich weiß gar nicht, ob ich dir das sagen darf. Schließlich hat er sich mir anvertraut. Aber was soll’s, du bist meine beste Freundin“, wischte sie ihr Gewissen beiseite und erzählte beherzt weiter, dass Michael bis vor kurzem noch spielsüchtig war. Dass er nun eine Therapie machen würde. Eine Aufgabe der Therapie sei es, sich mit der suchterzeugenden Situation auseinander zu setzen. Deshalb verbringe er viel Zeit vor dem Spielcasino, in welches er früher all sein Geld getragen habe. Rein getraut hätte er sich aber bislang noch nicht, das wäre erst der nächste Schritt, erklärte Jutta fachmännisch. „Warum?“, wunderte sich Anne. „Soll er doch einfach von den Dingern wegbleiben, wenn er nicht widerstehen kann.“ „Das verstehst du nicht“, Jutta protestierte unwirsch. „Ist halt Therapie.“ „Na gut“, lenkte Anne ein, „das könnte also erklären, was er in der Karl-Marx-Straße getrieben hat.“ Er stand ja wirklich vor einem Spielcasino, wie sie zugeben musste. „Aber ich verstehe nicht, dass er jetzt so vollkommen aus dem Rennen sein soll. Verdächtigst du ihn denn jetzt gar nicht mehr?“ Jutta war außer sich. „Natürlich nicht“, behauptete sie fest. „Ich weiß, dass er es nicht war.“
Sie stammelte herum, dass Anne fast die Nerven verlor. Dann endlich rückte sie damit heraus.
Dass Michael ein klein wenig mit ihr angebändelt hatte. Dass das mit Anne vorbei wäre, dass er gar nicht mehr verstehen könnte, warum er sich so lächerlich gemacht hatte. Anne seufzte: „Na gut, wenn du ihm glaubst. “ Anne hörte ein lautes Schnäuzen. „Ja, ich glaube ihm wirklich. Er hat gesagt, dass mit dir sei nur ein Strohfeuer gewesen. Und Strohfeuer brennen ja bekanntlich schnell nieder.“ Anne musste trotz der miesen Situation lachen. „Das meine ich doch gar nicht. Ich meine den Einbruch.“ „Nein“, begehrte Jutta auf, „ganz bestimmt nicht. Hundertprozentig. Das war er nicht. Auch wenn ich am Anfang vielleicht von ihm als Täter überzeugt war, ich war halt sauer auf ihn und enttäuscht und eifersüchtig zugleich. Wie auch immer. Heute weiß ich es besser.“ „Na gut, ich vertraue dir“, lenkte Anne ein. „Aber was hat es denn nun eigentlich mit diesem Foto auf sich?“
Dann erfuhr Anne, dass Michael in der Zeit, in der er ihr nachgeschlichen war, sehr häufig dieser Mann in der Nähe ihres Hauses aufgefallen wäre. Derselbe Mann, immer mit einer etwas anderen „Verkleidung“, wie Jutta sich ausdrückte. Also wechselnde Mützen oder Kappen. Und immer mit Sonnenbrille. Aber dann hatte Michael ja aufgehört, Anne zu verfolgen und sich natürlich auch um den ominösen Mann nicht weiter gekümmert.
Und dann heute Mittag. Jutta machte es spannend. Heute war Michael ja vor dem Spielcasino. „Wegen seiner Therapie. Auf dem Weg dorthin ist er an deinem Haus vorbei gekommen.“ „Logisch“, bestätigte Anne und
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