Das Kreuz des Zitronenkraemers
Ambrosius ja Schwein, dass er zu einer früheren Epoche gelebt hat“, meinte Anne.
„Ihr Ambrosius, wie Sie ihn zu nennen pflegen, meine liebe Frau Seifert, wäre in der Tat eine gute Partie gewesen. Er war ein steinreicher Mann. „Aber bitte“, der Doktor wies auf seine Übersetzungen, „der Vollständigkeit halber, lesen Sie doch bitte auch noch den Rest.“ Anne las den letzten Satz, von dem sie sogar im Original die letzten beiden Worte hatte entziffern können.
„Bekundet sei hiermit außerdem
die hier festgeschriebenen Besitztümer des Ambrosius Carove gehen bei Verlust von
Leib und Leben desselbigen über an seine Söhne und im Verlauf an alle weiteren
direkten Nachkommen
Dies unterzeichnen heute zu Trier
Gustavo Boltera, Notar
Ambrosius Carove“
„Die Unterschrift von Carove konnten Sie entziffern, weil er sie selbst getätigt hatte und das in einer anderen Schrift, als Sie sie im Text von Boltera finden. Ambrosius hat einfaches altdeutsch benutzt, vermutlich, weil er schon so viele Jahre in Trier gelebt hatte. Warum er einen italienischen Notar gewählt hatte, weiß ich nicht, vielleicht Vertrauen unter Landsleuten“, erklärte Mezza zum Abschluss.
Anne schüttelte nur noch ungläubig den Kopf. „Dr. Mezza, wie soll ich Ihnen nur danken. Ohne Sie, hätte ich niemals … “ „Ist schon gut“, der Notar war doch tatsächlich leicht rot im Gesicht geworden. „Ich habe doch gesagt, dass ich es gern tue, auch in meinem eigenen Interesse. Die Arbeit an Ihren Papieren hat mir Spaß gemacht. Ehrlich. Sie schulden mir gar nichts. Im Gegenteil, ich danke Ihnen für den wundervollen Abend.“
Anne schaute auf die Uhr, es war bereits fast Mitternacht. „Soll ich Sie mit nach Trier nehmen?“, bot Dr. Mezza an. Anne überlegte kurz und dachte an die zwei Flaschen Wein und den Cognac. Aber sie lehnte dennoch dankend ab. „Eins wollte ich Sie aber den ganzen Abend schon fragen“, setzte der Notar noch mal ein und schaute dabei interessiert auf Annes Hinterkopf. Anne war ganz verdattert. „Ja bitte, tun Sie sich keinen Zwang an!“
„Was haben Sie eigentlich dahinten in den Haaren?“ Anne schluckte und fasste sich reflexartig auf den Kopf. „Oh“, stotterte sie. „Oh, das. Nun ja, das ist Obstbrei.“ Sie sah Dr. Mezza direkt in die Augen. „Ach so“, antwortete dieser, als hätte Anne ihm gerade den neusten Modetrend präsentiert. Ähnlich schmuckhaft wie ein Zungenpiercing oder Schulterbranding.
„Na dann, liebe Frau Seifert, nochmals vielen Dank für den Abend, ich hoffe, Sie lassen mal wieder was von sich hören.“ Jetzt wirkte der Doktor verlegen, vermutlich schien er nicht richtig zu wissen, wie er sich verabschieden sollte. Anne war mit ihm aufgestanden und sie waren bereits auf dem Weg zum Parkplatz. Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, die komplette Rechnung zu bezahlen. Trotz Annes Protesten. „Ich bringe Sie zu Ihrem Wagen“, säuselte er jetzt und wirkte auf Anne ein wenig angedudelt. Sie wollte es zu keiner unangenehmen Situation kommen lassen. Außerdem mochte sie ihn wirklich. „Nicht nötig, Dr. Mezza, mein Wagen steht direkt dort vorn. Vielen Dank noch mal für alles. Ich, äh, ich fahre auch nur den einen Kilometer bis Bekond. Dort wohnt mein Freund.“ Anne wusste auch nicht, warum sie das gesagt hatte. Vermutlich einfach, um vielleicht Schlimmeres zu verhindern. Dr. Mezza wirkte enttäuscht. „Ach so, na, da haben Sie es ja nicht weit, also denn.“ Er drehte sich um und marschierte in Richtung eines flachen Sportflitzers. Dieser Wagen passte eigentlich gar nicht zu ihm, dachte Anne noch und verkroch sich in ihren kleinen Gefährten. Sie startete das Auto und fühlte sich auch selbst ziemlich beschwippst. Vielleicht war das gar keine so schlechte Idee, dachte sie noch, als sie bereits den Weg nach Bekond eingeschlagen hatte. Ich könnte ja wirklich bei Hannes übernachten.
*
Unruhig wälzte Hannes sich im Bett hin und her. Auch in dieser Nacht schien er keinen Schlaf zu finden. Der Kopfverband juckte und die wieder sprießenden Stoppeln am Rande der Wunde machten ihn noch wahnsinnig. In seinen Kniekehlen hatten sich nett gefärbte Hämatome gebildet. Paula jedoch kümmerte sich fabelhaft um Hannes. Sie wich ihm nicht mehr von der Seite und schlief ruhig neben ihm im Bett. Aus purem Mitleid natürlich.
Für morgen hatten sich Gritzfeld und Krischel angekündigt. Heuchlerisch hatten sie sich telefonisch
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