Das Kreuz des Zitronenkraemers
Karte ganz zerknittert. Auch egal, Hannes wollte sich sowieso demnächst ein Navigationsgerät anschaffen. Mittlerweile fuhren sie durch ein etwas ruhigeres Wohngebiet. „Was hier wohl ein Reihenhäuschen kostet?“, fragte Anne nachdenklich. „Ich werde mir hier mit Sicherheit keins kaufen! Hier wird man doch wahnsinnig! Da fahr ich lieber zehn Kilometer bis zum nächsten Supermarkt.“ Anne schaute jedoch verträumt aus dem Fenster und bewunderte die stattlichen und gepflegten Bürgerhäuser im wilhelminischen Stil. Hannes und Anne befanden sich wohl gerade in einem der attraktivsten Wohngebiete in Düsseldorf, unmittelbar am Stadtzentrum und mit stilvollem Ambiente. Verwundert stellte Hannes fest, dass es hier noch sehr viele Grünanlagen gab. Sicherlich konnte man hier massenweise Kaninchen oder Tauben jagen. Bald waren sie in der Siegfriedstraße angelangt.
Das Haus war schnell gefunden. Es handelte sich um eine äußerst luxuriöse Stadtvilla mit kleinem Vorgarten und eigener Tiefgarage. Annes Mund stand vor Staunen weit offen, während Hannes langsam in die Garage fuhr. Ein automatisches Rolltor öffnete sich surrend. Claire lief den beiden aufgeregt entgegen. Sie trug einen schlabberigen Bademantel und ihr langes Haar hing strähnig über ihren Schultern. Sofort fiel ihr verheultes Gesicht auf.
„Gott sei Dank“, wimmerte sie und umarmte erst Anne, dann Hannes umschweifend. „Er hat gerade wieder angerufen! Nächstes Wochenende soll ich den Schmuck abliefern! Wenn nicht, könnte ich Andreas am Zitronenkreuz einsammeln!“, brachte sie schließlich unter Tränen hervor. Anne reichte ihr sofort fürsorglich ein Taschentuch. „Komm, wir müssen einen kühlen Kopf bewahren! Vielleicht kannst du uns drin alles in Ruhe erklären?“
„Oh entschuldigt“, meinte Claire schniefend, „natürlich, kommt rein.“ Sie holte tief Luft und versuchte wieder etwas Haltung anzunehmen, während sie die beiden mit Hilfe eines hydraulischen Glasfahrstuhls in ihr kostbares Reich führte.
Der Eingangsbereich war eine Wucht. Die mit riesigen Ölgemälden verzierten Wände waren marmoriert und die vier Meter hohen Decken mit Stuck- und Dekorelementen verziert. Sie betraten das Wohnzimmer durch eine bogenförmige Glastür, welche kunstvoll mit schwerem Brokatstoff dekoriert war. „Nehmt doch bitte Platz!“, sagte Claire, die sich inzwischen etwas gefasst hatte und wies auf eine strahlend weiße Ledercouch vor einem hochwertigen offenen Kamin. „Ich besorg euch erst mal ein kleines Frühstück.“ Sie ließ ihre Besucher allein und verschwand in einem Nachbarzimmer, aus dem leise Stimmen zu hören waren. Staunend blickten Hannes und Anne sich um. „Hast du schon jemals einen solchen Kasten von innen gesehen?“, hauchte Anne. „Nein“, musste Hannes gestehen, während sein Blick auf die dicken Fensterscheiben, wahrscheinlich Panzerglas, fiel. „Aber wie du siehst, je mehr Geld, desto mehr Probleme!“
„Da hast du wohl Recht“, pflichtete Anne bei.
Claire betrat nun wieder das Zimmer und setzte sich auf einen wuchtigen Sessel. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein schlichtes Leinenkleid. Ihre Haare hatte sie in der kurzen Zeit kunstvoll hochgesteckt. Wahrscheinlich war sie im vorherigen Leben Model und beherrschte daher die Kunst der blitzschnellen Verwandlung.
„Josefa wird euch sofort etwas bringen. Entschuldigt bitte nochmals meinen Gefühlsausbruch von vorhin. Ich werde euch gleich alles erklären.“ Eine rundliche Dame Mitte fünfzig schob einen voll beladenen Servierwagen in den Raum.
Claire trommelte nervös mit den Fingern auf der Armlehne. „Sie können dann für heute frei machen, Josefa. Ich benötige Sie nicht mehr. Machen Sie sich einfach einen netten Tag.“
Nickend verschwand die Haushälterin mit etwas verwirrtem Gesicht.
„Gott sei Dank ist sie weg!“, hauchte Claire und sank in sich zusammen. „Es ist so schrecklich, sich niemandem anvertrauen zu können.“
„Das kannst du ja jetzt!“, forderte Hannes sie auf. Erst jetzt wurde ihm die wirkliche Tragik dieses Besuchs bewusst. „Also, kurz bevor ihr gekommen seid, hat der Entführer angerufen. Es ist übrigens wirklich dieselbe Stimme wie auf den CDs! Er verlangt nach wie vor diesen alten Familienschmuck von dem ich nichts weiß. Zumindest bis jetzt noch nicht. Ich habe ihm erneut Geld geboten. Mehr als wir besitzen, aber nein, er besteht auf dem Schmuck! Aus den Telefongesprächen lassen sich, so hoffe ich
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