Das Kreuz des Zitronenkraemers
so aufgeregt, dass ich gar nicht weiß, was ich machen soll.“ Claire stand kurz vorm Hyperventilieren, entsprechend hektisch ging’s weiter: „Ist Hannes vielleicht bei dir?“ Falsche Frage! „Hannes? Wieso sollte Hannes morgens um fünf bei mir sein?“, kreischte Anne und erinnerte sich beschämt an ihren Traum. „Ich dachte ja nur … ich dachte, vielleicht erkennt Hannes ja die Stimme auf den CDs, falls es wirklich dieser Jagdkollege von ihm sein sollte.“ Anne setzte sich auf. „Moment mal“, sagte sie in den Hörer, „ich nehme dich mit in die Küche.“ Anne schlurfte Richtung Kaffeemaschine und drückte den Knopf. „Von welchen CDs redest du da?“, fragte sie und öffnete den Kühlschrank, um die Milch zu holen. „Na, CDs eben, um genauer zu sein, Audio CDs, wie ich mittlerweile weiß, habe sie in Bernds Tresor gefunden, anscheinend hat er darauf Telefongespräche aufgezeichnet“, gab Claire aufgeregt zurück. „Du hast tatsächlich den Tresor geknackt? Wie hast du denn das geschafft?“, wollte Anne bewundernd wissen. „Ach, spielt doch jetzt keine Rolle, erzähl ich dir später.“ Anne hörte ein tiefes Ausatmen von Luft. „Pass auf, am besten spiel ich dir die Gespräche mal vor, hör genau zu!“ Die Kaffeemaschine war funktionsbereit und Anne drückte in dem Moment eine doppelte Tasse, als sie durch das Handy eine metallische Stimme ertönen hörte. „Moment mal, ich hör gerade gar nichts“, rief sie ins Telefon und der Kaffeeautomat brummte wie ein Luftwaffeninferno in der ansonsten absolut stillen Wohnung. Claire startete von vorn. Anne konnte noch nicht mal irgendwelche Silben verstehen, geschweige denn Stimmen erkennen. „Tut mir leid, ich verstehe überhaupt nichts“, enttäuschte sie Claire nach dem ersten Schluck Kaffee, der ihre Lebensgeister hoffentlich endgültig zum Aufstehen animieren würde. „Die eine Stimme ist die von Bernd. Die andere ist die seines späteren Mörders und Andreas Entführers.“ Claire schluckte. „Aber woher weißt du das, ich meine, dass es der Mörder ist? Hat sich doch wohl kaum so vorgestellt“, unterbrach Anne leise die unheilvolle Stille. „Kannst du dir vorstellen, wie das war, als ich diese CD das erste Mal gehört habe?“ Anne wusste nicht, worauf Claire hinaus wollte. „Wieso?“ „Du fragst wieso? Verdammt, es ist derselbe Mann, der mich ständig anruft wegen Andreas und droht, mir seinen Finger zu schicken!“, schrie Claire so laut ins Telefon, dass Anne erschrocken den Hörer vom Ohr weg hielt. „Schon gut, schon gut“, versuchte Anne zu beruhigen. Sie hörte Claire ein paar Mal tief ein- und ausatmen. Ewas gefasster sprach diese endlich weiter: „Ihr müsst euch das unbedingt anhören. Nicht nur, dass Hannes vielleicht die Stimme erkennen würde, es sind außerdem auch Hinweise auf den Schmuck in den Gesprächsmitschnitten vorhanden. Die könnten uns vielleicht weiter helfen.“ Anne überlegte. Durchs Telefon war definitiv nichts zu verstehen. Vielleicht könnte Claire die CDs ja mit der Post schicken? „Das ist mir viel zu gefährlich, ich gebe die Dinger nicht aus der Hand, stell dir vor, sie gehen unterwegs verloren oder werden beschädigt, nein, auf keinen Fall. Am besten, ich komme zu euch runter, wenn ich die Cessna nehme, könnte ich in …“
„Claire, entschuldige bitte“, unterbrach Anne sofort, „das halte ich wirklich für keine gute Idee. In deinem derzeitigen Zustand. Psychisch, meine ich. Niemand hat etwas davon, wenn dir auch noch was passiert.“ „Dann gibt es nur noch eine Möglichkeit!“ Anne wartete auf Claires Vorschlag. „Ihr müsst zu mir kommen, heute noch!“, sagte Claire bestimmt.
„Äh, da muss ich erst mal mit Hannes sprechen“, erwiderte Anne wenig entscheidungsfreudig. „Meinst du denn, der Aufwand würde sich wirklich lohnen?“ „Anne!“, sprach Claire ihr ins Gewissen, „Es ist die Stimme des Entführers und Mörders, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Wenn Hannes sie identifizieren kann, haben wir den Kerl überführt!“
Da ist was Wahres dran, dachte Anne. Sie musste mit Hannes sprechen. Und ein kleiner Trip nach Düsseldorf wäre ja auch mal eine nette Abwechslung. Sie sah auf ihre Küchenuhr. Viertel vor sechs. „Du hast ja recht, ich rufe Hannes gleich an“, lenkte sie schließlich ein. „Lass mich nur noch eine halbe Stunde warten, sonst killt er mich durchs Telefon, wenn ich ihn so früh aus den Federn werfe. Ich werde mich bei dir melden, sobald ich mit
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