Das Kreuz des Zitronenkraemers
um. Die Ziffern waren kaum zu erkennen „11 6 1696“. Claire wiederholte die Zahlen noch mal und noch mal, den ganzen Weg die Treppe rauf. Als sie wieder vor dem Tresor stand musste sie erstmal ihren Puls runterfahren um die Hände ruhig zu kriegen. Dann tippte sie: „1161696“. Mist, ein Strich blieb übrig, das waren ja nur sieben Ziffern. Schnell drückte Claire die Korrekturtaste. Sie dachte nach und begann erneut. Wenn es sich bei der Zahlenkombination wirklich um ein Datum handeln sollte, dann musste es so heißen: „11061696. Bestätigung.“
Claire hörte gar nichts. Kein Brummen, keine Alarmanlage. Sie starrte auf den Tresor und traute ihren Augen kaum. Die Tür war aufgesprungen. Lautlos.
Sie öffnete die Tür ganz und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Ein Packen Wertpapiere, Bankunterlagen, ein Bündel 500 Euroscheine. Kein Schmuck. Claire spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, ansonsten waren ihre Gefühle kalt, die Enttäuschung war einfach zu groß. Dann entdeckte sie unten am Boden des Tresors einen weiteren Gegenstand. Er war so flach, dass Claire ihn fast übersehen hätte. Claire nahm ihn heraus. Es handelte sich um eine stabile Plastikbox. Mit zitternden Fingern öffnete Claire die Verpackung und fand darin mehrere CDs. Aus irgendeinem Grund musste der Inhalt der CDs für Bernd so wertvoll gewesen sein, dass er diese im Tresor aufbewahrte. Claire nahm sie an sich. Wie in Trance schloss sie den Tresor und hängte den Bildschirm aus Pappe wieder darüber. Sie machte sich auf den Weg nach unten. An der Haustür drehte sie sich noch einmal um. Nein, es würde keinen Zweck haben, noch weiter zu suchen. Sie hatte sich schon viel zu lange hier aufgehalten. Draußen begann es bereits zu dämmern. Sie huschte hinaus in den Garten. Wenn sie mich jetzt erwischen, komm ich eher in die Klappsmühle als in den Knast, überlegte Claire auf dem Weg zum Gartentor, komme nach einem Bruch in so einem Luxusbunker mit nichts als ein paar CDs heraus. Sie wischte sich die inzwischen trockenen Tränen mit dem Jackenärmel aus dem Gesicht, kroch durch das Türchen und verschwand.
Kapitel 9
Eine grüne Sommerwiese mit einem herrlich duftenden Blumenmeer. Alles strahlte blau, rot, gelb und violett. Ein Zitronenfalter freute sich seines Lebens und schwirrte fröhlich und aufgeregt umher. Hannes schlang die Arme um Anne und sah ihr in die Augen. Direkt ins Herz. Anne lachte verlegen und senkte ihren Blick zu Boden. Dort waren ein paar sehr interessante Ameisen emsig mit dem Bau einer ihrer berühmten Straßen oder sonst was beschäftigt. Auf jeden Fall mussten ihre Tätigkeiten unbedingt beobachtet werden.
„Anne!“ Sie spürte seine Hand unter ihrem Kinn. Er hob leicht ihr Gesicht und sie sah ihn zögerlich wieder an. Seine Augen leuchteten und sagten ihr alles. Ein kleiner Stromschlag durchzuckte ihr Hirn. Sie wollte ihn küssen und neigte ihre Lippen in seine Richtung. Er kam ihr entgegen. Seine Hände umfassten ihren Nacken… dann spielte die Musik. Erst leise, dann immer deutlicher. Immer wieder und immer wieder. Dieselbe Melodie.
Anne war schweißgebadet. Sie wälzte sich im Bett auf die andere Seite und patschte hilflos auf dem Nachttisch herum. Irgendwo musste doch der verdammte Wecker sein. Ah, da stand er. Das Hämmern auf den Knopf zeigte keinerlei Wirkung. Der Wecker war ohnehin mucksmäuschenstill. Das verdammte Lied aber spielte noch immer.
Auf einmal hellwach, sah Anne ihr Handy leuchtend auf dem Nachttisch herumhüpfen. Dämlicher Vibrationsalarm, dachte Anne noch, als sie endlich begriff, was los war. Die Uhr zeigte 05.12 Uhr als Anne mit einem mehr als mürrischem „Hallo, wer stört?“, ans Handy ging.
„Anne, ich bin’s, Claire, habe ich dich geweckt?“ „Nein, nein, war nur gerade joggen“, antwortete Anne genervt. „Sag mal, weißt du eigentlich, wie spät, ich meine, früh es ist?“
„Entschuldige bitte, aber ich bin total fertig. Ich war drin, ich meine im Haus, bei Bernd, ich hab den Bruch gemacht.“ Claires Schluchzen war kaum zu verstehen. „Du, es tut mir leid“, entschuldigte sich Anne. „Ich hatte geschlafen und erst gar nichts kapiert, und zu allem Übel hatte ich gerade, glaube ich, einen Albtraum.“
„Schon okay“, beschwichtigte Claire, „Meine Schuld, dass ich so früh bei dir anrufe, aber ich hab’s einfach nicht mehr länger ausgehalten. Möglicherweise habe ich tatsächlich einen brauchbaren Hinweis gefunden. Mein Gott, ich bin
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