Das Kreuz des Zitronenkraemers
Chance und verschwand in einer der etlichen Seitenstraßen, bis er schließlich in Rheinnähe einen Parkplatz fand und zwischen unzähligen anderen Autos zum Stehen kam.
„Alles klar?“, keuchte Hannes mit besorgtem Blick auf die kreidebleiche Anne. Auch ihm war kotzübel.
„Ich glaube schon“, kam es leise zurück. „Sind sie weg?“
„Denke schon. Was macht dein Kopf?“
„Ein wenig frische Luft würde, glaube ich, nicht schaden.“
Sie verließen den Wagen und machten sich auf den Weg zum Rhein.
„Da scheint die Presse nun ja doch Wind bekommen zu haben“, meinte Anne. „Ob Claire sich noch vor ihnen retten konnte?“
„Ich hoffe es. Andererseits, vielleicht wird der Entführer durch eine Pressemeldung auch nervös und macht einen Fehler!“, mutmaßte Hannes. „Hoffentlich neigt er nicht zu einer Kurzschlussreaktion“, gab Anne leise zu bedenken.
„Aber ich glaube, das war nur ein Lokaljournalist.“
Schweigend und in Gedanken versunken marschierten die beiden am Rhein entlang. Die Wiesen schienen endlos lang. Ab und zu begegneten ihnen Jogger oder andere Sportbegeisterte mit Inlinern oder Nordic - Walking Stöcken. Ein riesiger Frachter fuhr majestätisch über den braun schimmernden Fluss. Kraftvoll platschten die Wellen ans Ufer. Eine Gruppe Stockenten schaukelte ungerührt im Wasser.
„Lass uns da hinten eine Pause machen“, schnaufte Anne und zeigte auf eine einladende Bank unter einer Platane.
Anne war immer noch kreidebleich. Hoffentlich hat sie kein Halswirbelschleudertrauma, dachte Hannes mit schlechtem Gewissen. Sie setzten sich und Hannes nahm Anne vorsichtig in den Arm. „Hast du Kopfweh?“ „Ist schon wieder in Ordnung. Die Luft hat es wohl weggeblasen.“ Dennoch schmiegte sie sich für ihr derzeitiges Verhältnis sehr eng an Hannes.
Im Hintergrund hörten sie plötzlich ein leises Klappern und erkannten im Augenwinkel eine zierlich wirkende Kutsche, gezogen von einem bunten Tinker. Ein brauner Mischlingshund lief gehorsam neben dem kräftigen Pferdchen her. Das Gespann erinnerte die beiden an ihren letzten gemeinsamen Urlaub in der Schweiz. Was hatten sie die Ausfahrten immer genossen. Dicht aneinandergekuschelt und warm zugedeckt hatten sie sich fast täglich mit dem Pferdeschlitten von Josef durch die verschneiten Landschaften ziehen lassen. Mit sehnsüchtigem Blick folgten beide dem lustig wirkenden Gespann. „Wenn das alles hier vorbei ist, glaubst du, wir könnten auch noch einmal gemeinsam so eine Fahrt machen?“, fragte Anne leise und schaute nervös auf den Boden.
Sachte legte Hannes seine Hand unter Annes Kinn. Er drehte ihren Kopf in seine Richtung. Sein Herz schlug wie wild. Zögerlich blickte sie ihm in die Augen. „Oh, Anne!“, flüsterte Hannes und neigte sich gefährlich dicht ihrem Mund entgegen. „Weißt du denn nicht, dass ich ... “
„Schsch“, hauchte sie leise und schaute ihn nun mit festem Blick an. Ihre Augen sprachen mehr als tausend Worte. Seine Hand wanderte vorsichtig an ihrem Hals entlang in den Nacken. Vorsichtig zog er sie an sich und spürte ihre warmen Lippen auf seinen. Zärtlich streichelte sie seine Wange. Das Blut pulsierte in Hannes Adern. Wie lange hatte er sie vermisst! So saßen sie ein paar Minuten und hielten sich umschlungen. Kurz darauf vernahm Hannes Schritte. Eine Stimme durchbrach die Stille. „Schöner Ort zum Knutschen, was?“, pöbelte ein Halbstarker herum, der mit seinen Kumpels und einer Kiste Stubbis vorbeizog. Hannes warf ihm nur einen giftigen Blick zu, behielt einen Kommentar aber für sich. Nichts sollte die Stimmung verderben, dennoch war sie dahin. „Lass uns gehen“, sagte Anne leise und stand auf.
Bald donnerten sie wieder über die Autobahn Richtung Trier. Anne war bereits nach kurzer Zeit im Auto eingeschlafen. Hannes wählte einen Sender, der gerade die neuesten Lovesongs spielte. Irgendwie war ihm danach. Zwei Stunden später bog er in die Ortseinfahrt Bekond ein. „Wir nähern uns dem Zielflughafen, bitte nehmen sie ihre Plätze ein und schnallen sich an!“, weckte er Anne gutgelaunt. Erschrocken fuhr sie hoch. Anne wollte nicht mehr mit ins Haus gehen. Wehmütig sah Hannes ihr nach, als sie mit ihrem kleinen Auto den Hof verließ. Sollte er jemals noch mal so eine Chance bekommen?
Kapitel 10
Der Schmerz in den Handgelenken war unerträglich. Die stinkende Salbe ließ die geschwollene Haut wie eine aufgedunsene Speckschwarte glänzen. Das dunkle Rot und
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