Das Kreuz des Zitronenkraemers
hielt den Atem an, ein Messer. Ein Taschenmesser. Daneben eine Geflügelschere. Andreas schluckte. Er sah in die Richtung, in die der Entführer verschwunden war. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er war nie lange weg mit dem Eimer. Kurz entschlossen griff Andreas nach dem Messer. Er lauschte. Nichts zu hören. Sorgfältig machte er den Reißverschluss wieder zu. Er wackelte langsam zurück zu seiner Matratze. Dann hörte er die metallische Tür in einiger Entfernung. Er versuchte sich zu beeilen und stolperte über die Kette. Andreas überlegte: „Denk nach, denk nach!“, flüsterte er sich selber zu. Dann hatte er eine Idee, er robbte zur Wand gegenüber, die Kette war gerade lang genug. Dort war ein Rattenloch. Andreas wusste es genau, dorthinein verschwanden sie immer. Er suchte hektisch den Boden ab und bald fand er die kleine Öffnung. Er schob das Messer so tief hinein wie er konnte. Mit letzter Kraft kletterte Andreas endlich zurück auf die Matratze, bevor der Schein der Taschenlampe um die Ecke leuchtete.
Andreas versuchte, seinen Puls zu beruhigen. Klinsmann stellte den Eimer wortlos zurück auf seinen Platz. Dann ging er zur Tasche und öffnete sie. Er legte die Nahrungsmittel auf den Tisch. Dann begann er in der Tasche zu wühlen. Andreas hielt den Atem an. Er glaubte, sein Herzschlag müsse bis nach draußen zu hören sein.
„Welcher Tag ist heute?“, brachte er nochmals heraus um den Entführer abzulenken. „Wo ist das verdammte Messer, ich könnte schwören, dass ich es eingepackt habe“, murmelte dieser statt Andreas zu antworten. Er kramte immer noch. Dann hielt er plötzlich inne, er drehte den Maskenkopf zu Andreas und starrte ihn an. „Gib sofort das Messer zurück!“, befahl er in einem leisen und gefährlichen Ton. „Welches Messer?“, stotterte Andreas und versuchte, einen unschuldigen Gesichtsausdruck aufzusetzen, „Ich habe kein …“ „Halts Maul!“, brüllte der Bundestrainer und raste auf ihn zu. „Steh auf!“ Andreas gehorchte. Der Mann tastete ihn ab. Seinen Oberkörper, die Beine, den Schritt. Er zog das Handy aus der Tasche. Er lachte Andreas aus. „Bist ein wichtiger Mann, was? Natürlich musst du immer erreichbar sein, nicht? Wie gut, dass es heutzutage Handys gibt, sonst wüsste ja keiner, wo du bist!“ Er warf das tote Handy achtlos zu Boden und lachte immer noch. Dann wurde er wieder ganz ernst. „Zieh die verdammten Schuhe aus.“ Andreas setzte sich wieder hin und nestelte an den Schnürsenkeln herum. Endlich schaffte er es und streifte die Schuhe ab. Von seinem eigenen Geruch wurde ihm fast übel. Er wusste nicht, wie lang er schon diese Schuhe und seine Klamotten trug. Seit er hier war, hatte er sie nicht ausgezogen, geschweige denn gewechselt. Der Mann untersuchte Schuhe und Socken. Er fluchte. Dann zerrte er Andreas von der Matratze. Er hob sie hoch und betastete sie von allen Seiten, er fand nichts. Dann nahm er die Öllampe von der Kiste und sah dort nach. Er stellte die Kiste wieder auf. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe die Wände entlang, Stück für Stück. Endlich gab er auf. Andreas atmete langsam die Luft aus und hoffte, dass der Entführer seine Erleichterung nicht spüren konnte.
„Dann liegt es wohl doch noch auf dem Küchentisch“, brummte der Bundestrainer und machte sich wieder an die Nahrungsmittel. „Hier!“, er warf Andreas ein Stück Schinken zu. „Dann musst du eben abbeißen und wie du mit dem ganzen Brot zu Recht kommst, ist auch dein Problem.“
Dazu gab es noch zwei Frikadellen und das obligatorische Obst. Äpfel wie jeden Tag und diesmal noch Trauben und einen Pfirsich. Vitaminreiche Ernährung schien ihm wichtig zu sein. Andreas machte sich direkt über die Sachen her. „Warum haben sie eigentlich …“, Andreas stockte erschrocken. Fast hätte er sich selbst verraten und nach dem Zweck der Geflügelschere in der Tasche gefragt. Er hatte zum Essen irgendeinen Vogel erwartet. „Hat es dir die Sprache verschlagen? Warum sprichst du nicht weiter?“ Die Maske grinste ihn an. Hoffentlich tritt Klinsmann nach der WM zurück, dachte Andreas, ich will diese Fratze nie wieder sehen. „Ich wollte wissen, äh …“, Andreas überlegte, auf die Schnelle fiel ihm nichts Besseres ein, „ich wollte wissen, warum Sie gestern nicht hier waren.“ Der Bundestrainer stöhnte. „Hast mich wohl vermisst, keine Sorge, ich vergesse dich nicht, zumindest solange nicht, bis ich den Schmuck habe.“ Andreas versuchte,
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