Das krumme Haus
sagte: ›Man wird Sie nicht entlassen. Dieses Lokal gehört mir.‹ Da schaute ich ihn mir genauer an. Nur ein alter, kleiner Mann, dachte ich zuerst; aber es ging Kraft von ihm aus. Ich erzählte ihm alles. Wahrscheinlich haben Sie es von den andern schon gehört, und sie werden Ihnen wohl gesagt haben, ich sei schlecht gewesen; aber das stimmt nicht. Ich bin gut erzogen. Wir hatten einen Laden, einen besseren Laden – kunstgewerbliche Handarbeiten. Ich gehörte nicht zu den Mädchen, die einen Haufen Freunde haben und leicht zu bekommen sind. Aber Terry war anders. Er war Ire… und er fuhr nach Amerika… Er schrieb nie eine Zeile. Ich glaube, ich war dumm. Da saß ich nun, verstehen Sie. Saß in der Patsche wie eine x-beliebige Kellnerin… Aristide war großartig. Er sagte, alles würde gut werden. Er sagte, er sei einsam. Wir sollten gleich heiraten, sagte er. Es war wie im Traum. Dann erfuhr ich, dass er der reiche Mr Leonides war, dem unzählige Geschäfte und Restaurants und Nachtlokale gehörten. Es war wie im Märchen. Wir wurden in der Stadt in einer kleinen Kirche getraut, und danach fuhren wir ins Ausland.«
»Und das Kind?«
Ihre Augen kehrten wie aus weiter Ferne zu mir zurück. »Ich bekam gar kein Kind. Ich hatte mich geirrt.« Sie lächelte. »Ich schwor mir, ihm eine wirklich gute Frau zu sein, und das war ich auch. Ich bestellte für ihn alle Gerichte, die er gern hatte, trug die Farben, die ihm gefielen, und tat alles, um ihm Freude zu machen. Und er war glücklich. Aber seine Familie wurden wir nie los. Immerzu kamen sie und wollten was von ihm – sie lebten auf seine Kosten. Die alte Haviland… ich finde, sie hätte fortgehen sollen, als er sich zum zweiten Mal verheiratete. Das sagte ich auch. Aber Aristide meinte: ›Sie lebt nun schon so lange hier. Hier ist sie jetzt zuhause.‹ Im Grunde gefiel es ihm, alle um sich zu haben und zu beherrschen. Zu mir waren sie ekelhaft; doch das schien er nicht zu merken, oder es war ihm egal. Roger hasst mich… Kennen Sie Roger? Er hat mich von jeher gehasst. Er ist neidisch. Und Philip ist so eingebildet, dass er nie ein Wort zu mir sagt. Jetzt möchten sie mir die Schuld am Tod meines Mannes zuschieben. Ich konnte nichts dafür! Ich hab es nicht getan!« Sie lehnte sich zu mir vor. »Bitte glauben Sie mir, dass ich es nicht getan habe!«
Ich fand sie rührend. Die verächtliche Art, wie die Familie Leonides von ihr gesprochen hatte, ihre Absicht, sie des Mordes zu bezichtigen, das kam mir jetzt geradezu unmenschlich vor. Sie war allein, wehrlos, gehetzt.
»Und wenn nicht ich, dann soll Laurence es getan haben«, fügte sie noch hinzu.
»Wie ist denn Laurence?«, fragte ich.
»Mir tut er schrecklich leid. Er ist nicht sehr robust und konnte deshalb nicht in den Krieg. Nicht weil er ein Feigling ist, sondern weil er zu anfällig ist. Ich versuchte ihn aufzumuntern und gab mir alle Mühe, dass er sich hier wohlfühlte. Er muss die schrecklichen Kinder unterrichten. Eustace macht sich immer über ihn lustig, und Josephine… nun, Sie wissen ja, wie Josephine ist.«
Ich sagte, ich hätte Josephine noch nicht kennen gelernt.
»Manchmal glaube ich, das Kind ist nicht richtig im Kopf. Sie ist hinterhältig, und sie sieht so merkwürdig aus… Bisweilen macht sie mir Angst.«
Ich hatte keine Lust, über Josephine zu sprechen, und lenkte wieder auf Laurence Brown zurück: »Woher kommt er eigentlich?«
Eine ungeschickte Frage. Brenda errötete.
»Er ist nichts Besonderes. Er stammt aus ähnlichen Verhältnissen wie ich. Wie könnten wir gegen sie alle an?«
»Übertreiben Sie da nicht doch ein bisschen?«
»Nein. Sie wollen es so hinstellen, als ob Laurence es getan hätte… oder als ob ich es getan hätte. Den Inspektor haben sie schon überzeugt. Was könnte ich dagegen tun?«
»Sie müssen sich nicht so aufregen.«
»Wieso soll keiner von ihnen ihn getötet haben? Oder ein Außenstehender? Oder einer der Hausangestellten?«
»Es fehlt an einem Motiv.«
»Ach, ein Motiv! Was für ein Motiv hätte ich denn gehabt? Oder Laurence?«
Mir war etwas unbehaglich zu Mute, als ich antwortete: »Man könnte vielleicht annehmen, dass Sie und Laurence ineinander verliebt sind und dass Sie heiraten wollen.«
Sie richtete sich kerzengerade auf.
»Das ist ein hässlicher Gedanke! Und es ist nicht wahr! Nie haben wir etwas dergleichen zueinander gesagt. Er tat mir nur leid, und ich versuchte ihn aufzumuntern. Wir waren gute Freunde, weiter nichts.
Weitere Kostenlose Bücher