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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ihm. Er saß da und starrte es an. Dann beauftragte er das Modul, Kontakt mit dem Schiff aufzunehmen.
    Es war ein langsames, traumartiges Gespräch, in dessen Verlauf er wie gebannt das helle Spielbrett betrachtete, das sich scheinbar vor ihm ausbreitete, während er darauf wartete, dass seine Worte das ferne Kriegsschiff erreichten und dessen Antwort zu ihm zurückgelangte.
    »Jernau Gurgeh?«
    »Ich möchte etwas wissen, Schiff. Gibt es aus dieser Situation irgendeinen Ausweg?«
    Dumme Frage. Die Antwort lag vor ihm. Seine Lage war ein beginnendes Chaos; eindeutig daran war nur ihre Hoffnungslosigkeit.
    »Aus deiner gegenwärtigen Situation im Spiel?«
    Gurgeh seufzte. Diese Zeitverschwendung! »Ja. Siehst du einen Ausweg?«
    Das gefrorene Hologramm auf dem Schirm vor ihm, seine Situation im Spiel war wie ein eingefangener Augenblick des Fallens, wenn der Fuß ausgleitet, die Finger ihre letzte Kraft verlieren und der tödliche, sich beschleunigende Sturz beginnt. Gurgeh dachte an Satelliten, die abstürzen, und das kontrollierte Stolpern, das Zweifüßler Gehen nennen.
    »Du liegst um mehr Punkte zurück als sonst jemand, der jemals wieder aufgeholt und in einem Spiel der Hauptserie gewonnen hat. Du bist bereits geschlagen, glaubt man.«
    Gurgeh wartete auf mehr. Schweigen. »Beantworte die Frage«, forderte er das Schiff auf. »Du hast die Frage nicht beantwortet. Antworte mir.«
    Auf was spielte das Schiff an? Chaos, Chaos, ein völliges Chaos. Seine Situation war ein wirbelndes, amorphes, nebulöses, beinahe barbarisches Durcheinander von Figuren und Gebieten, zusammengeschlagen und zerbröckelnd. Warum machte er sich überhaupt die Mühe zu fragen? Traute er seinem eigenen Urteil nicht? Musste er es sich von einem Gehirn sagen lassen? Würde nur das es real machen?
    »Ja, natürlich gibt es einen Ausweg«, sagte das Schiff. »Tatsächlich gibt es viele Auswege, obwohl sie alle unwahrscheinlich, nahezu unmöglich sind. Doch nicht ganz unmöglich. Es ist bei weitem nicht genug Zeit, um…«
    »Gute Nacht, Schiff«, sagte Gurgeh in die Ausführungen hinein.
    »… einen davon im Detail zu erklären, aber ich glaube, ich kann dir eine allgemeine Vorstellung davon geben, was du tun musst, obwohl natürlich eine so umfassende Beurteilung…«
    »Entschuldige, Schiff. Gute Nacht.« Gurgeh schaltete den Kanal aus. Es klickte einmal. Nach kurzer Zeit verkündete ein Gongton, dass das Schiff die Verbindung ebenfalls unterbrochen hatte. Gurgeh betrachtete von neuem das Hologramm. Dann schloss er die Augen.
     
    Am Morgen hatte er immer noch keine Ahnung, was er tun würde. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, nur vor dem Schirm gesessen und das Panorama des Spiels angestarrt, bis das Bild in sein Gehirn eingeätzt zu sein schien und seine Augen von der Anstrengung brannten. Später hatte er eine leichte Mahlzeit zu sich genommen und sich ein paar der Unterhaltungssendungen angesehen, mit denen das Imperium seine Bevölkerung fütterte. Es passte gut, dass es eine geistlose Zerstreuung war.
    Ein lächelnder Pequil traf ein und erklärte, es sei schon eine Leistung, dass Gurgeh überhaupt im Wettbewerb geblieben sei, und er, Pequil, glaube fest daran, Gurgeh werde in den Spielen der zweiten Serie – an ihnen nahmen diejenigen teil, die aus der Hauptserie ausgeschieden waren – gut abschneiden, falls er daran teilzunehmen wünsche. Natürlich waren sie vor allem für Leute von Interesse, die einen beruflichen Aufstieg anstrebten, und führten nicht weiter, aber Gurgeh werde sich vielleicht gegen andere… äh… Unglückliche besser halten. Auf jeden Fall dürfe er mit nach Echronedal reisen, um das Finale zu sehen, und das war doch ein großes Privileg!
    Gurgeh sprach kaum, nickte nur hin und wieder. Sie fuhren zur Halle hinaus, und Pequil redete immerzu über den großen Sieg, den Nicosar am Vortag bei seinem ersten Spiel errungen hatte. Der Kaiser-Regent war bereits auf das zweite Brett vorgerückt, das Brett der Form.
     
    Wieder forderte der Priester Gurgeh zum Abbruch auf, und wieder erklärte Gurgeh, er wünsche zu spielen. Alle setzten sich um das große Brett. Entweder befahlen sie den Club-Spielern, die Züge für sie zu machen, oder sie machten sie selbst. Gurgeh saß an diesem Vormittag lange Zeit da, bevor er seine erste Figur platzierte. Minutenlang rieb er den Biotech zwischen den Händen und blickte mit weit aufgerissenen Augen nach unten auf das Brett. Die anderen meinten schon, er habe vergessen,

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