Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
daraus.
»Hast du jetzt Angst vorm Schnitzen?«, fragte Isaac ihn ganz nebenbei.
William nickte.
»Brauchst du nicht. Du weißt ja jetzt, wie gefährlich es sein kann. Du musst das Messer und seine Schärfe kennen, um es zu respektieren und richtig zu halten. Den gleichen Fehler macht man nie zweimal.«
»Onkel Isaac?« William sah ihn mit großen Augen an.
»Hm?«
»Kann ich dich etwas fragen?«
»Hm!«
»Was ist passiert mit deiner Hand? Warum musste sie abgeschnitten werden?«
Isaac fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, und schnappte nach Luft. Es dauerte lange, bevor er etwas sagen konnte, aber William blieb geduldig.
»Peter hat eine Zange an der Esse liegen lassen. Sie war heiß, aber das konnte man nicht sehen. Ich hab sie in die Hand genommen und mich verbrannt.«
»Warum bist du dann wütend auf Gott und meine Mutter und nicht auf Peter?« William sah ihn fragend an.
»Die Zange lag zu dicht an der Esse. Ich hätte wissen müssen, dass sie heiß ist. Außerdem habe ich weitergeschmiedet, statt die Hand zu schonen. Wir hatten viel Arbeit und brauchten das Geld.« Isaacs Stimme war noch immer rau, aber sie klang nicht mehr so schroff.
»Ich werde einmal wie du, Onkel Isaac!«, sagte William sanft. »Ich habe zwar beide Hände, aber sieh dir meinen Fuß an, ichbin auch ein Krüppel!« William sagte es so selbstverständlich, dass Isaac ein Schauer über den Rücken lief.
»Ich verbiete dir, so etwas zu sagen!«, brauste er auf. »Du bist kein Krüppel, und das mit deinem Fuß …« Isaac brach ab und sah auf Williams Füße. »Gib mal deinen Schuh her!«
William zog die Holzschuhe aus. »Welchen denn?«
Isaac griff sich den Schuh des verkrüppelten Fußes und betrachtete ihn genauer. Dann hob er den Fuß des Jungen an und sah sich auch diesen an. »Er ist schon ein bisschen gerader geworden, glaube ich. Vielleicht hilft es ja tatsächlich!« Isaac sah zufrieden aus.
»Jean sagt, dass ich die Schuhe immer tragen muss. Aber sie tun mir so weh! Ich ziehe sie oft aus und laufe barfuß, wenn er es nicht sieht«, gestand William.
»Oh, das macht mich aber sehr traurig!« Isaac sah den Jungen an und schüttelte den Kopf.
»Warum denn?«, fragte William neugierig. So lange schon hatte er sich die Aufmerksamkeit seines Onkels gewünscht, und mit einem Mal hatte er sie so ganz und gar!
»Du erinnerst dich sicher nicht daran, aber Jean und ich haben dir den ersten Schuh gemeinsam gemacht, damit dein Fuß beim Wachsen ein wenig gerader wird«, erklärte ihm Isaac.
»Aber es ist doch sowieso egal, wie er wächst. Sagt Mama jedenfalls.«
»Ich denke, deine Mutter hat Unrecht.«
»Ist kein Wunder, dass du das sagst. Du kannst sie nicht leiden!« William senkte den Blick und sah traurig auf den Boden.
»Darum geht es nicht.« Isaac hatte den Kinderfuß die ganze Zeit mit seiner gesunden Hand massiert, bis er rosig und warm war. Der Holzschuh hatte Blasen und Schwielen an Williams Fuß hinterlassen, trotzdem hatte der Junge die Berührung von Isaacs Hand genossen.
»Onkel Isaac?«
»Was denn, mein Sohn?«
»Ich mag die Schmiede nicht!« William schaute seinen Onkel an, als habe er diesem etwas furchtbar Schlimmes anvertraut.
»Wie meinst du das?«
»Mama sagt, ich werde auch einmal Schmied, und Schmiede bräuchten keine gesunden Füße. Onkel Isaac, wer ist Wieland?«
Der Schmied schmunzelte über den Gedankensprung des Kindes. Zum ersten Mal seit langem spürte er wieder eine wohlige Wärme in seinem Herzen. Er zerzauste William die Haare. »Willst du sie hören, die Geschichte von Wieland, dem Schmied?«
William nickte begeistert. Er konnte sich kaum etwas Schöneres vorstellen, als eine Geschichte erzählt zu bekommen.
»Aber sie ist lang!«, gab Isaac zu bedenken.
»Das macht gar nichts!« William strahlte.
»Na gut.« Isaac räusperte sich. »In einer fernen Zeit, an einem fernen Ort lebte einst ein friedlicher Riese. Seinen Sohn Wieland gab er bei Mimir, dem berühmtesten Schmied aus dem Hunnenland, in die Lehre, damit er ihm das Waffenschmieden beibrächte. Nach drei Jahren kam Wieland zurück nach Hause, und damit er der berühmteste aller Schmiede würde, brachte der Riese seinen Sohn zu zwei Zwergen, die nicht nur Waffenschmiede, sondern auch Meister im Schmieden von Gold und Silber waren. Der Junge lernte schnell, und die Zwerge wollten ihn nicht gehen lassen, also versprachen sie dem Riesen, ihm sein Gold zurückzugeben, wenn er ihnen den Jungen noch ein weiteres Jahr ließ.
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