Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
Isaacs Stimme war rau geworden vom Erzählen, er zog seinen Trinkschlauch hervor, nahm einen großen Schluck und reichte ihn dem Jungen.
William schüttelte den Kopf. »Was ist dann passiert?«, fragte er aufgeregt.
»Der König ließ die Sehnen an Wielands Füßen und Knien durchtrennen und ihn zurück in seine Schmiede bringen.« Isaacs Stimme klang aufgewühlt, als er fortfuhr. »Lange lag er dort mit großen Schmerzen. Es dauerte Monate, bis seine Wunden geheilt waren, aber laufen konnte er nicht mehr.« Isaac seufzte kurz. »Eines Tages kam Nidung zu ihm, brachte ihm zwei Krücken und versprach ihm Reichtum, wenn er wieder für ihn schmiedete. Wieland tat freundlich, aber als der König fort war, schwor er Rache.«
William wagte kaum zu atmen. »Glaubst du, er hat sich gerächt?«, fragte er leise.
Isaac blinzelte in die tief stehende Sonne. »Ich weiß es sogar. Wenn du willst, erzähle ich dir morgen, wie er es gemacht hat. Aber jetzt gehen wir besser ins Haus, sonst reißt uns deine Mutter den Kopf ab.« Er lächelte den Jungen an und strich ihm noch einmal übers Haar.
»Du hast noch Glück gehabt«, sagte William unvermittelt.
»Wie bitte?« Isaac runzelte die Stirn.
»Dir bleibt eine gesunde Hand und fast der ganze Arm.«
»Glück nennst du das? Ich würde lieber auf die Sehnen in meinen Beinen verzichten als auf meine Hand!«, stieß Isaac hervor.
William hörte nicht zu. »Wieland ist ein Held, er hat nicht aufgegeben. Er hat wieder angefangen zu schmieden. Es war das, was er am besten konnte, er musste es einfach tun, sonst wäre er sicher nicht glücklich gewesen! Bestimmt hätte er auch mit nur einer Hand weitergemacht.« Williams Augen leuchteten. Hätte er geahnt, wie sehr seine Worte Isaac schmerzten, wären sie nie über eine Lippen gekommen, denn er liebte den traurig aussehenden Mann wie einen Vater und wünschte sich nichts mehr, als ihn wieder fröhlich zu sehen.
»Isaac hat mir von Wieland erzählt!«, rief William bei Tisch aufgeregt, biss in sein Brot und kaute umständlich darauf herum.
»Was ist denn los, hast du keinen Hunger?« Rose runzelte fragend die Stirn.
»Doch, aber mein Zahn wackelt«, lispelte William.
Rose griff nach seinem Kinn, zog seinen Kopf hoch und lächelte. »Zeig mal!«
»Guck!« William drückte den unteren Schneidezahn mit der Zunge weit nach vorne, bis Blut seine Zähne umspülte.
»Na, der fällt bald raus!«, stellte Rose lachend fest.
»Ich hab schon ganz viele neue!«, meldete sich Marie zu Wort, riss den Mund auf und steckte den Zeigefinger tief hinein. »Da, siehst du?«
Isaac strich seiner Tochter mit einer zärtlichen Geste über die Wange.
»Die Geschichte von Wieland, wunderbar!« Ellen lächelte. »Beinahe jedes Kind in England kennt sie. Sicher haben deshalb so viele Menschen Respekt vor uns Schmieden, weil sie glauben, dass dunkle Kräfte im Spiel sind, wenn wir nachts härten. Sie nehmen an, Zwerge und Elfen geben uns Macht über das Eisen. Manche Kräuterfrauen behaupten sogar, das Wasser aus unseren Härtetrögen habe heilende Kräfte.« Ellen zuckte mit den Schultern. »Ich habe es geliebt, wenn Donovan uns die Geschichte an langen Winterabenden erzählt hat. Wenn es kalt war, saßen wir alle ums Feuer. Donovan schmückte die Geschichte immer wieder neu aus und erzählte sie mit so viel Hingabe! Damals in Tancarville habe ich mir gewünscht, so schmieden zu können wie Wieland, und mehr als einmal geträumt, ich würde von einem Zwerg in die Lehre genommen. Ich erzählte Donovan davon, und er tat so, als wäre er böse. ›Ich bin zwar klein, aber doch kein Zwerg‹, sagte er und lachte mich aus, weil ich vor Scham beinahe im Boden versank.« Ellenweores Wangen hatten sich gerötet. Ihre widerspenstigen Locken lugten unter ihrem Kopftuch hervor und tanzten um ihr Gesicht, als sie lachte.
Isaac fühlte ein heftiges Ziehen im Magen, als ihre grünen Augen im Schein des Feuers aufleuchteten, und hatte Mühe zu atmen. Er stand vom Tisch auf und stieß dabei seinen Stuhl um. Schnell hob er ihn auf und zog sich, ohne ein Wort zu sagen, zurück.
Jean sah Ellen fragend an. »Ich schätze, diese Geschichten um Wieland haben alte Wunden bei ihm aufgerissen.« Isaac tat ihm leid, auch wenn er seine Reaktion unnötig heftig fand.
Als Ellen sich an diesem Abend neben Isaac ins Bett legte, schien er schon zu schlafen. Seine Augen waren geschlossen, und sein Atem ging regelmäßig. Neugierig betrachtete sie ihn einen Moment lang. Sein
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