Das Labyrinth der Ratten
schlechten Sinn. Eine Tarnung, meine ich.« Der alte Mann lachte leise, aber diesmal rauh. Anders.
Lars fragte mit größter Mühe: »Wer bist du?«
»Ich bin ein Wanderspielzeug«, antwortete der alte Mann.
»Spielzeug?«
»Ja, Mr. Lars. Ursprünglich Bestandteil eines Kriegsspiels, erfunden von der Firma Klug. Zeichnen Sie mich, Mr. Lars. Ihre Kollegin, Miss Toptschew, zeichnet zweifellos, aber sie wiederholt nur, ohne es zu ahnen, die wertlose, damals vorgeführte Darstellungsform ... ignoriert von allen, außer Ihnen. Sie zeich
net mich. Sie hatten völlig recht.«
»Aber du bist alt.«
»Mr. Klug präsentierte sich eine einfache technische Lösung. Er sah die Möglichkeit – ja, die Unausweichlichkeit – einer Anwendung des neuen Datierungsverfahrens mit Kohlenstoff
17 B voraus. Meine Bauteile sind deshalb Modifikationen organischer Materie, knapp über hundert Jahre alt. Falls Sie das nicht anwidert.«
»Es widert mich nicht an«, sagte – oder dachte – Lars. Er konnte nicht mehr erkennen, ob er noch laut redete. »Ich glaube es nur einfach nicht«, sagte er.
»Dann bedenken Sie folgende Möglichkeit«, empfahl ihm Hastings. »Ich bin, wie Sie vermutet haben, ein Android, aber vor über einem Jahrhundert gebaut.«
»1898?« fragte Lars mit bodenloser Verachtung. »Von einem Kutscherpeitschen-Betrieb in Nebraska?« Er lachte, oder versuchte es jedenfalls. »Laß dir was anderes einfallen. Eine andere Theorie, die zu dem paßt, was du und ich als Fakten kennen.«
»Wollen Sie es diesmal mit der Wahrheit versuchen, Mr. Lars? Sie offen hören, ohne Vorbehalte? Fühlen Sie sich fähig? Im Ernst? Sind Sie sicher ?«
Nach einer Pause sagte Lars: »Ja.«
Die leise, flüsternde Stimme, vielleicht in dieser TieftranceBeziehung aus nicht mehr bestehend als einem Gedanken, teilte ihm mit: »Mr. Lars, ich bin Vincent Klug.«
28
»Der kleine Unternehmer. Der am Rand tätige, kreditlose, herumgestoßene Spielzeugerfinder selbst?« fragte Lars.
»Richtig. Kein Android, sondern ein Mensch wie Sie, nur alt, sehr alt. Am Ende meiner Tage. Nicht so, wie Sie mich unter der Erde gesehen haben, bei Lanferman & Co.« Die Stimme klang müde und tonlos. »Ich habe lange Zeit gelebt und viel gesehen. Ich habe, wie gesagt, den ›Großen Krieg‹ gesehen, was ich jedem erzählte, der mir zuhören wollte, wenn ich auf der Parkbank saß. Ich wußte, daß schließlich die richtige Person auftauchen würde, und das war der Fall. Man holte mich herein.«
»Und Sie waren im Krieg Wartungschef?«
»Nein. Nicht für diese oder irgendeine andere Waffe. Ein Zeitkrümmungsinstrument gibt es – wird es geben, aber im ›Großen Krieg‹ gegen die Sklaventreiber vom Sirius wird es kein Faktor sein. Das habe ich erfunden. In vierundsechzig Jahren, 2068, werde ich das dafür verwenden.
Sie begreifen nicht. Ich kann von 2068 hierher zurückkommen; ich habe das getan. Hier bin ich. Aber ich kann nichts mitbringen. Waffe, künstliches Objekt, Nachrichten, Ideen, die winzigste Unterhaltungsneuheit für die Masse – ganz egal.« Die Stimme klang scharf und bitter. »Nur zu! Stochern Sie telepathisch an mir herum, basteln Sie an meinem Gedächtnis und Wissen der nächsten sechs Jahrzehnte. Holen Sie sich die Spezifikationen für den Zeitkrümmungsgenerator. Und geben Sie ihn Pete Freid bei Lanferman in San Francisco; dringen Sie auf schnellste Erledigung, lassen Sie einen Prototyp herstellen und gegen die fremden Wesen einsetzen. Nur zu! Wissen Sie, was geschehen wird? Das wird mich auslöschen, Mr. Lars.« Die Stimme hackte auf ihn ein, betäubte ihn. Grausam. Korrumpiert von Rachsucht und der Aussichtslosigkeit der Situation. »Und wenn es mich auslöscht, indem ein alternativer Zeitweg beschritten wird, löscht es auch die Waffe aus. Und es wird für alle Ewigkeit eine Oszillation entstehen, von der ich erfaßt werde.«
Lars schwieg. Er widersprach nicht; es klang echt, und er akzeptierte es.
»Reisen in der Zeit«, sagte der uralte, verfallene Klug von vierundsechzig Jahren später, »ist einer der am starrsten begrenzten Mechanismen, der durch das institutionelle Forschungssystem erkannt wurde. Wollen Sie wissen, wie beschränkt ich genau bin, Mr. Lars, in diesem Augenblick der Zeit, der für mich über sechzig Jahre in der Vergangenheit liegt? Ich kann vorausblicken und nichts sagen – ich kann Sie nicht informieren; ich kann kein Orakel sein. Nichts! Alles, was ich tun kann, und das ist sehr wenig, aber es könnte
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