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Das Labyrinth der Zeit

Das Labyrinth der Zeit

Titel: Das Labyrinth der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Patrick
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Kerben, was auch immer das in diesem Zusammenhang bedeuten mochte. Eine Schlossmauer? Eine Gesteinsformation irgendwo? Es hätte alles Mögliche sein können, und die Zeile war viel zu vage, um irgendwelche Rückschlüsse auf den Ort zu ziehen, der hier gemeint war. Travis überflog die Zeile noch einmal und gab es dann auf.
    Die zweite Zeile stand weiter unten und war weniger tief ins Papier geprägt – vermutlich, weil sie von einem Blatt weiter vorne im Block stammte. Es war ein vollständiger Satz. Travis las ihn durch und spürte, wie er blass wurde.
Einige von uns befinden sich bereits unter euch.

[zur Inhaltsübersicht]
    Zweiter Teil
    Der Sterngucker
    18
    Paige und Bethany starrten die beiden Zeilen an, die Travis in das Laptop eingetippt hatte. Eine ganze Weile lang, ohne etwas zu sagen oder auch nur zu blinzeln.
    Der Anzapfer lag gleich daneben auf dem Tisch und kühlte aus. Travis ging zur Anrichte hinüber, nahm sich eine Serviette und tupfte sich das Blut von der Schläfe.
    Schon jetzt konnte er den merkwürdigen Effekt der verbrannten Erinnerung spüren. In diesem Moment, während ihm die letzten beiden Tage in Baltimore noch so lebhaft präsent waren, als hätte er sie erst kürzlich durchlebt – was ja den Tatsachen entsprach –, wurden sie gerade auch in seine eigene ferne Vergangenheit eingefügt, verschwommen wie die Erinnerung an einen Schulausflug, den er damals als Fünftklässler unternommen haben könnte. Jedwede noch vorhandene, reale Erinnerung an diese beiden Tage war in seinem Gedächtnis einfach durch die Baltimore-Erinnerung ersetzt worden, als wäre ein Heimvideo an einer Stelle mit einem Ausschnitt aus einem ganz anderen Film überspielt worden. Er schüttelte die seltsame Empfindung ab und warf die blutige Serviette in den Mülleimer. Dabei fiel sein Blick auf die Uhr.
    8.50 Uhr morgens.
    Noch zehn Stunden und fünfundfünfzig Minuten bis zum Ende der Straße.
    Er hörte Stimmen und Schritte. Draußen im Korridor vor der Wohnung liefen gerade einige Leute vorbei, anscheinend lebhaft über irgendetwas debattierend.
    «Diese zweite Zeile», sagte Paige. «Bist du ganz sicher, dass der erste Buchstabe groß geschrieben war?»
    Travis nickte. Worauf sie hinauswollte, war klar. Er selbst hatte diese Überlegung auch schon angestellt, während er noch mit dem Notizblock unter dem Lichtmast stand und sich den Kopf darüber zerbrach, inwiefern der Satz eine andere Bedeutung haben könnte, als es den Anschein hatte. Bei einer Kleinschreibung des ersten Buchstabens hätte der Sinn der Aussage durch den vorangehenden, unsichtbaren Teil des Satzes verändert, wenn nicht sogar in sein Gegenteil verkehrt worden sein können.
    Diese Möglichkeit aber schied hundertprozentig aus.
    «Es war ein großes E, gar keine Frage», sagte Travis. «Etwa doppelt so groß wie alle übrigen Buchstaben. Nora hatte eine sehr saubere Handschrift.»
    Travis sah, wie Bethany unwillkürlich die Schultern hochzog, als liefe ihr gerade ein Schauer über den Rücken. Sie überflog die Zeile noch einmal und stieß leise die Luft aus. «Bereits unter uns. Das klingt ja, als hätten sie sich in menschlicher Gestalt unter uns gemischt, um unerkannt zu bleiben.»
    Paige griff den Denkanstoß umgehend auf. Sie sah zu Travis hoch. «Weißt du noch, was du in Ouray gefragt hast? Wer es darauf abgesehen haben könnte, die Arbeit meines Vaters rückgängig zu machen?»
    Sogleich stellte sich vor Travis’ geistigem Auge das Bild luxuriöser Penthouses ein, achtzig Stockwerke über Manhattan oder Hongkong, von denen aus durch ein paar verschlüsselte Telefonanrufe Privatarmeen in Marsch gesetzt oder Regierungen gezielt manipuliert werden konnten – durch die Zuleitung enormer Geldsummen an einflussreiche Interessenvertreter etwa, denen es egal war, woher das Geld stammte oder für wessen Zwecke sie sich einspannen ließen. Die Vorstellung, dass es solche geheimen Machtzentralen gab, war schon beunruhigend genug, wenn man davon ausging, dass ihre Akteure Menschen waren.
    «Aber das ist doch widersinnig», fuhr Paige fort. «Falls sich bereits welche von ihnen hier befanden, ehe sich die Pforte geöffnet hat, wozu dann noch auf diesem Wege umständlich Anweisungen schicken, um einen von uns zu einer Art Werkzeug zu machen? Wozu würden sie ein solches Werkzeug dann überhaupt brauchen? Sie sind uns in der Entwicklung weit voraus. Um Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Jahren. Was auch immer sie hier vorhatten, hätten

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