Das Labyrinth des Maal Dweb
deiner Sicht in der Zukunft liegt. Nach deiner Zeitrechnung bin ich ungefähr im Jahr 15.000 nach Christi Geburt zu Hause. Mein richtiger Name lautet Kronous Alkon. Aus Gründen, die kaum einer Erklärung bedürfen, habe ich mir den ähnlich lautenden Namen Conrad Elkins zugelegt, so wie ich mir auch die Sprache und die Kleidungsgewohnheiten deiner Zeit aneignete.
Vorerst soll eine knappe Zusammenfassung der Gründe genügen, die für meinen Besuch im 20. Jahrhundert verantwortlich sind. Es würde eines langen Vortrags bedürfen, um dir auch nur eine halbwegs hinlängliche Vorstellung von unseren gesellschaftlichen Strukturen und Problemen zu vermitteln. Dabei geht es mir nur um einen einzigen Aspekt. In meiner Zeit ist die Menschheit von der schleichenden Ausrottung bedroht, und zwar aufgrund eines wachsenden Überschusses an männlichen Nachkommen. Daher bedürfen wir dringend einer Methode der vorgeburtlichen Geschlechtsfestlegung, sodass sich das Gleichgewicht der Natur einigermaßen wiederherstellen lässt.
Deine Epoche, das erste große technische Zeitalter, ist für uns fast schon eine mythische Ära und sogar weniger erforscht als einige noch frühere Zeitabschnitte. Der Grund dafür ist die allumfassende Barbarei, in welche die Menschheit zum Ende dieser Blütezeit zurückfiel. Lange, dunkle Zeitalter folgten, während derer fast sämtliche geschichtlichen Zeugnisse verloren gingen. Überdauert haben nur einige wenige bruchstückhafte Aufzeichnungen sowie Legenden über gewaltige, ungeschlachte Maschinen, die der Aberglaube primitiver Völker mit rachsüchtigen Dämonen gleichsetzte – sicher nicht ganz zu Unrecht, da der Missbrauch solcher Technik eine der Hauptursachen für euren Untergang darstellte. Auch hielt sich ein verbreiteter Volksglaube, der heute noch von vielen unserer Wissenschaftler geteilt wird und besagt, dass die Menschen des 20. Jahrhunderts in der Lage waren, das Geschlecht ihres Nachwuchses beliebig zu bestimmen. Das Geheimnis dieser Fähigkeit, so heißt es, ging im Laufe der darauf folgenden Barbarei verloren, ebenso wie einige weniger bedeutende Geheimnisse der Chemie und der Metallurgie, die keine spätere Zivilisation jemals wiederentdeckt hat.
Ersterer Glaube kam zweifellos auf, weil sich bekanntermaßen das Geschlechterverhältnis in deiner Zeit zahlenmäßig ausgewogen darstellt. Und weil es seither eben nicht mehr ausgewogen gewesen ist. Während vieler Jahrtausende nach dem Wiederaufbau einer hoch entwickelten Zivilisation auf den Ruinen der deinen wurden überwiegend Mädchen geboren, und die ganze Welt wurde zu einem Matriarchat. Das sogenannte Zeitalter der Amazonenkriege, die als die blutigsten und grausamsten Kriege der Menschheitsgeschichte gelten, bereitete dem Matriarchat ein Ende, da in seinem Verlauf beinahe alle Angehörigen der menschlichen Rasse ausgelöscht wurden. Ein paar Hunderttausend Überlebende, die es gab, fanden sich auf die allerprimitivsten Lebensumstände zurückgeworfen: Weitere dunkle Zeitalter folgten, und dann dämmerte allmählich unser jüngstes Zeitalter neu erblühter Kultur auf, in dem nun der Mann sowohl zahlenmäßig als auch intellektuell dominiert.
Das sagenhafte Geheimnis der Vorausbestimmung des Geschlechtes aus dem Schutt der Vergangenheit zu bergen, war der Anlass, warum ich durch die Zeiten zurückgereist bin und ein volles Jahr nach der Zeitrechnung des 20. Jahrhunderts unter euch verbrachte. Eine faszinierende Erfahrung. Ich habe vieles über die frühe Vergangenheit herausgefunden, was meinen Zeitgenossen gänzlich unbekannt ist und das sie schwerlich hätten nachprüfen können. Eure plumpen, klobigen Maschinen und Gebäude sind auf ihre Weise nicht unbeachtlich und eure Wissenschaft befindet sich auf einem Stand, der unsere späteren Entdeckungen hie und da bereits erahnen lässt. Und doch wisst ihr ganz offenkundig sogar noch weniger über die geheimnisvollen Gesetze der Biologie und der Genetik als wir. Eure vermeintliche Methode der Geschlechtsfestlegung ist wahrhaftig nur ein Mythos. Daher wüsste ich nicht, warum ich noch länger in diesem fremden Zeitalter verweilen sollte.
Nun zu dir. Hugh, du bist der einzige Mensch, mit dem ich in dieser Epoche eine Freundschaft einzugehen wagte. Geistig bist du deiner Zeit in mancher Hinsicht voraus. Zwar wird dir in unserer Zeit alles unvertraut vorkommen, und vieles wirst du nicht begreifen. Dennoch bin ich sicher, dass du die Welt des Jahres 15.000 nach Christus ungemein
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