Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
müde. Ich leg mich jetzt hin.«
»Okay«, sagte er leise. »Dann Gute Nacht.«
Sie ging zu ihrem Platz und schlüpfte in ihren Schlafsack. Als sie sich hingelegt hatte, flüsterte sie: »Ja, dir auch eine gute Nacht, Jeb.« Sie wusste, sie würde lange nicht einschlafen können.
Mischa war aufgewacht. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, dann wusste er wieder, wo er war. Ohne sich zu rühren, spähte er in den Raum hinein. Er sah Jebs und Jennas Silhouetten vor dem Fenster. Dann verschwand Jennas Schatten in der Dunkelheit des Raumes.
Seine Gedanken wanderten zu León.
Wo bist du? Lebst du noch? Warum riskierst du dein Leben, um Mary zu retten?
In seinem Geist tauchten Bilder auf. Bilder, die ihn verwirrten. Er sah Mary und León. Sie waren nackt. Umarmten sich. Küssten sich.
Die Bilder taten ihm weh. Mischa spürte, wie Tränen hinter seinen Lidern brannten. Doch er ließ nicht zu, dass sie hinunterliefen.
Was ist nur los mit mir?
Mischa biss sich auf die Lippen, um nicht vor Qual aufzuschreien. Die Tränen liefen nun doch ungehindert über sein Gesicht.
Ich war die ganze Zeit tapfer und nun breche ich einfach so in Tränen aus?
Wieso fühle ich mich so allein und verloren?
Jenna und Jeb. Sie empfinden etwas füreinander, auch wenn sie es selbst vielleicht noch gar nicht wahrhaben wollen. Und León? Der Einzelkämpfer riskiert sein Leben, um Mary zu retten. Geht das nicht weit über Freundschaft hinaus?
Zurück bleibe ich. Allein.
In seinem Geist tauchte Leóns Lächeln auf, das er so selten zeigte.
Und der Schmerz in Mischas Brust nahm zu.
Vielleicht findet er Mary nicht.
Vielleicht…
León.
48.
León riss die Tür auf. Auch er hatte das wilde Bellen gehört. Es war klar, dass sie entdeckt worden waren. Versteck spielen machte keinen Sinn mehr, ab jetzt musste es schnell gehen. Kaum hatte er die Tür geöffnet, stolperte Mary ihm entgegen, gefolgt von Kathy, die die Tür zuwarf und sich dagegenpresste. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Der Lichtschein der Fackel in ihrer Hand zuckte über ihr vor Schreck verzerrtes Gesicht, warf Schatten auf die Wände und machte alles noch unheimlicher.
León wollte sofort losrennen, aber Kathy packte ihn am Ärmel seiner Jacke.
»Wenn du jetzt mit Mary da rausstürmst, finden sie dich früher oder später. Mary hat nicht genug Kraft. Sie wird dein Tempo nicht lange halten können.«
Er wusste, dass sie recht hatte. Er schaute sie fragend an, als Kathy hastig weitersprach: »Geht die Treppe hinauf, so weit nach oben, wie ihr könnt, und versteckt euch. Niemand hat mich gesehen. Wenn sie entdecken, dass Mary verschwunden ist, werden sie denken, sie hat sich befreit. Ich renne zum Ausgang und hinterlasse deutliche Spuren. Denen werden sie folgen. Nun macht schon! Viel Glück!«
Aus dem Raum hinter der geschlossenen Tür drangen Rufe und wild gebrüllte Befehle. Der verdammte Köter hatte sich mittlerweile in Rage gekläfft. Es blieb ihnen keine Zeit für lange Abschiedsworte. Mary, León und Kathy jagten die Treppen hinauf in Richtung Ausgang. Kathy hetzte vorneweg. Dank ihrer Fackel konnten sie sich schnell fortbewegen.
Sie hatten gerade einmal ein Stockwerk hinter sich gebracht, als León hörte, wie unten die Tür aufgerissen wurde und gegen die Wand krachte. Dumpfe Schreie drangen nach oben. Mary rannte vor ihm her. Er hörte ihren keuchenden Atem. Ganz vorn erreichte Kathy bereits den Ausgang. Sie riss die Tür auf und kalter Wind wehte herein. Es hatte aufgehört zu schneien und im Licht des Mondscheins funkelte die eisige Welt der verlassenen Großstadt.
León merkte, dass Mary etwas sagen wollte, aber Kathy wirbelte herum und flitzte in die Nacht hinaus. Aus den Augenwinkeln sah er noch Kathys Spuren im Schnee, als er nach Marys Hand fasste und sie mit sich zog. Kathys Fackelschein, der wie ein wandernder Stern auf und ab hüpfte, war eine deutliche Spur. Es konnte klappen. Doch sie durften keine Sekunde verlieren. So leise wie möglich schlichen Mary und er die Metalltreppe weiter hinauf. Um sie herum herrschte ohne Kathys Fackel vollkommene Dunkelheit. Unter ihnen nahm das Gepolter zu. Schreie. Überall Schreie, die von den Wänden zurückgeworfen und tausendfach verstärkt wurden. Es klang, als wäre ihnen eine Armee mit einer ganzen Meute blutrünstiger Jagdhunde auf den Fersen. León bedeutete Mary, stehen zu bleiben. Sie hatten zwei Treppenabsätze hinter sich gebracht, es musste reichen. Die Treppe führte nur zu weiteren
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