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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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versuchte ich, an ihm vorbeizugehen.
    »Ein Jammer.« Der Krummbeinige versperrte mir den Weg. Er hatte eine Hand an den Griff eines langen Messers gelegt, das an seinem Gürtel hing. »Unser Herr möchte von dir gerne noch ein paar Töne hören. Vielleicht nimmt er ja mit deiner Stimme vorlieb.«
    »Wer ist euer Herr?«
    »Du wirst ihn kennenlernen.«
    »Sagt mir lieber, wo ich ihn finde; ich will ihm gern morgen meine Aufwartung machen.«
    »Du wirst jetzt ganz fügsam mitkommen, Musiker, hörst du?«
    Ich seufzte sehr laut und hielt mir den Fiedelkasten vor die Brust, die rechte Hand zwischen ihm und der Jacke. »Ach, sagt doch eurem guten Herrn, ich sei zu müde gewesen.«
    »Kläglich, wie?« sagte der Krummbeinige; der andere nickte und löste sich nun ebenfalls von der Wand – widerstrebend, wie es schien. Er bewegte sich seitwärts, um hinter mich zu gelangen.
    Ich tat einen Schritt nach hinten und drehte mich, so daß ich beide im Auge behalten konnte. »Ihr tapferen Krieger«, sagte ich einigermaßen jämmerlich, »wollt ihr euch wirklich an einem wehrlosen Musiker vergreifen?«
    Zwischen Jacke und Fiedelkasten legten sich meine Finger wie eigenständige Wesen um den Degengriff. Jakko der Musiker löste sich auf; wie vor Wochen, als ich mich angegriffen fühlte und dem Mauren al-Tahir beistand, war Jakko der Krieger plötzlich da. Wann immer ich über ihn nachdenke, weiß ich nicht, ob ich ihn mag, ob ich ihn überhaupt noch kenne oder kennen will. Aber der Musiker hätte sich nicht so schnell und sicher bewegen können.
    Der Krummbeinige zog das Messer. Der andere Mann hob die Arme, um mich zu packen. Mit der linken Hand rammte ich ihm den Fiedelkasten ins Gesicht, während die rechte mit dem Degen den ersten Messerstich abfing. Hinter mir hörte ich ein Schnaufen, wirbelte herum, durchbohrte den Mann mit der Klinge, riß den Degen aus dem taumelnden Körper, duckte mich und sprang zur Seite. Der nächste Messerstich verfehlte mich knapp. Im Gesicht des Krummbeinigen sah ich etwas wie Besorgnis, wahrscheinlich das Begreifen, daß er es nicht mit einem wehrlosen Musiker zu tun hatte.
    Aber er war gut; trotz des schleifenden Beins bewegte er sich wie ein Tänzer. Zweimal entging ich nur durch schnelle Kopfbewegungen einem Stich, der mir den Hals aufgerissen hätte, einmal traf er mich mit der Schneide am Oberarm. Eigentlich wollte ich ihn entwaffnen und befragen, aber er war gefährlich und wendig und offensichtlich erfahren. Blut rann mir heiß den Arm hinunter, und dann beendete die Degenspitze in der Brust des Mannes den Kampf.
    Wie immer kam die Hilfe zu spät. Wenn es denn Hilfe war. Schritte näherten sich von der Stadt her; gleichzeitig kamen zwei bewaffnete Männer aus der Vorstadt und blieben am Kopf der Treppe stehen. Einen hatte ich schon einmal gesehen; er gehörte zu Katonas Leuten.
    Sie sahen mich, sahen im Fackellicht den blutdurchtränkten Stoff an meinem Oberarm, sahen die beiden Leichen, und dann sahen sie einander an.
    »Es gibt offenbar Leute, die man nachts nicht überfallen sollte«, sagte der, den ich bei Katona gesehen hatte.
    Der andere stieß ein häßliches Lachen aus. »Es gibt aber auch Leute, von denen ich nachts nicht überfallen werden möchte.« Er kam die letzten fehlenden Stufen herab, bückte sich und drehte den Krummbeinigen um. »He, Tonko, das ist Mehmet«, knurrte er. Dann richtete er sich wieder auf, steckte zwei Finger in den Mund und stieß drei gellende Pfiffe aus.
    Die Schritte, die von der Stadt her kamen, endeten kurz hinter uns. Ich drehte mich um und sah Antonio. Er schien nicht überrascht, mich in dieser Lage und Begleitung vorzufinden.
    »Du siehst nicht so aus, als ob du Hilfe brauchtest, Jakko«, sagte er.
    »Nicht mehr. Wolltest du etwa eingreifen?«
    Er hob die Schultern. »Zu spät.« An seinem Gürtel hing ein Degen. Er berührte ihn mit der Handfläche und sagte halblaut: »Ich habe die beiden herumstreichen sehen, und irgendwas hat mir gesagt ... Nun ja, hat sich erledigt. Wir sehen uns später?«
    Ich nickte. Dabei sagte ich mir, daß ich diesen Antonio nicht kannte, der ohne seine üblichen üppigen Gebärden und Reden in die Nacht lief, in Richtung Gruz. Und wozu schleppte er neben dem Degen auch noch einen Reisebeutel mit sich?
    Zwei weitere Nachtwächter kamen herbei. »Einer von euch holt Katona«, sagte Tonko. »Zwei bleiben hier und passen auf, daß die Schufte nicht auferstehen. Du da, Jakko oder wie immer du heißt, kommst mit. Verbinden

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