Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
und ein paar Fragen beantworten.«
»Wo finden wir euch?« sagte einer der anderen.
»Bei mir; das ist am nächsten.«
Ich folgte ihm zu einem Haus in der ersten Seitenstraße. In einem Raum gleich neben der Tür machte er Licht und deutete auf einen Stuhl. Ich setzte mich folgsam und legte den Fiedelkasten samt Waffe auf den Tisch. Dort standen ein Wasserkrug und eine Kiste mit Tüchern. Offenbar war ich nicht der erste, der hier versorgt wurde.
Tonko war schweigsam und geschickt. »Erst verbinden«, sagte er, »dann alles übrige.« Er half mir aus der Jacke, zerschnitt den Ärmel des Hemds, nickte und begann, die Wunde zu säubern. Sie tat weh, war aber nicht tief.
»Du und der andere«, sagte ich. »Au. Hattet ihr die Wache vor dem Tor?«
»Und nach Mitternacht in der Vorstadt. Wir waren auf einem Rundgang. Halt still.«
Als er eben begonnen hatte, mich zu verbinden, erschien Katona. Er übernahm »alles übrige«, stellte jedoch nicht viele Fragen. Er wirkte weder erbost darüber, daß ich den Frieden seiner Stadt gestört hatte, noch schien er überrascht.
»Mehmet zu erledigen, dazu gehört etwas.« Er sog Luft durch die Schneidezähne. »Offenbar bist du wirklich gut.«
»Für wen haben sie gearbeitet? Karim Abbas?«
»Hätte ich mir denken können, daß du den kennst. Es sind Leute der Türken«, sagte er. »Wenn sie dir aufgelauert haben, wissen die übrigen, nach wem sie suchen müssen.«
»Dann werden sie mich auch schnell finden.«
»Trübe Wahrheit.« Einen Augenblick lang schob er die Unterlippe vor. Dann sagte er: »Die Leichen kann ich bis zum Morgen so aufbewahren, daß man sie nicht findet. Nicht länger.«
»Das heißt?«
»Verschwinde«, sagte er. »Mit etwas Glück wird man erst eine Stunde nach Sonnenaufgang Fragen stellen. Ich werde keine Antworten wissen, aber ich kann dich nicht schützen.«
»Eine Bitte.«
»Was denn?«
»Es sind ein paar Venezianer, mehrere Männer und eine Frau, im Gästehaus des Rektors.«
Er nickte. »Was ist mit ihnen?«
»Wir sind für morgen zu einem kleinen Stadtrundgang verabredet«, sagte ich. »Könntest du ihnen mitteilen, der Mann mit der Fiedel habe überraschend abreisen müssen?«
Er seufzte. »Soll ich es allen sagen?«
»Nein.«
»Aber der Frau?«
Ich klopfte ihm auf die Schulter.
»Eine Messerstecherei«, sagte ich. »Ich muß eine Weile verschwinden.«
Ardiana blinzelte und drehte sich wieder zur Wand. Zlatko setzte sich auf und kratzte sich den Kopf.
»Die anderen schlafen; soll ich es ihnen sagen?«
»Tu das bitte. Nach dem Aufwachen.«
Beinahe geräuschlos trotz aller Eile packte ich meine Sachen.
Als ich Velimirs Haus erreichte, sah ich zu meiner Überraschung noch Licht. Oder schon; inzwischen konnte das Morgengrauen nicht mehr fern sein. Ich klopfte und versuchte die Tür zu öffnen, aber sie war versperrt. Von innen näherten sich Schritte; ein Riegel wurde zurückgeschoben, und Velimir blinzelte mich an.
»Na endlich«, sagte er. »Wir dachten schon, du kämst nicht mehr. Oder Katona hätte dich festgehalten.«
Er ging voran, in den einzigen großen Wohnraum seiner Hütte. Dort saßen Antonio und Goran.
Ich blickte Antonio an. »Hat er euch schon alles erzählt?«
»Nicht alles – nur das, was ich weiß.«
»Das reicht wahrscheinlich. Ich bin überfallen worden. Die wollten mich angeblich zu ihrem Herrn bringen, wer immer das sein mag. Ich habe mich gewehrt, beide sind tot. Und ich muß verschwinden.«
Goran und Velimir wechselten einen Blick. »Weißt du einen Namen?« sagte Velimir.
»Mehmet. Krumme Beine, eines schleift immer ein bißchen nach.«
»Ui.« Velimir betrachtete mich, als sähe er mich zum ersten Mal. Oder erstmals wirklich. »Mehmet? Über den gibt es viele schöne Geschichten. Und den hast du ...?«
»Wer könnte der Herr sein, zu dem sie mich bringen wollten?«
Goran räusperte sich. »Wenn du verschwinden mußt, sollten wir wohl nicht lange herumreden, oder?«
»Du hast recht.« Ich lehnte mich an die Tischkante. »Könnt ihr mir helfen?«
»Helfen?« Goran schnalzte. »Du meinst, ob wir unsere Hälse in die für deinen bestimmte Schlinge stecken mögen.«
»Zwanzig Zechinen, Goran? Für eine Fahrt in deinem wurmstichigen Kahn?«
»Zwanzig? Für zwanzig venezianische Goldstücke soll ich mein Leben wegwerfen?«
»Wir können jetzt lange reden und feilschen, alter Mann. So lange, bis die Türken kommen. Die werden dann aber nicht nur mich holen, sondern euch auch. Weil ihr mich
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