Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
geben.«
»Tempel, Banken und Bordelle gehören zu den ersten Erfindungen der Menschheit.« Antonio blinzelte. »Wenn es das hier nicht gibt, haben die Türken etwas falsch gemacht.«
Ich weiß nicht, weshalb mich dieser unwichtige Austausch gewissermaßen »weckte«, und auch nicht, warum ich mich an ihn erinnere. Die Beschäftigung mit den Dingen des Lebens und des Alltags nach langem Brüten, wahrscheinlich. Belgutai wehrte sich anständig. Wir hätten ihn aus den Klauen der Spanier gerettet, ihm ein Pferd zu reiten gegeben und ihn unterwegs nicht hungern lassen, jedenfalls nicht mehr, als wir selbst gehungert hätten, und von Diensten könne keine Rede sein. Antonio und ich beschlossen, seine Worte und Gedanken zu achten, nicht jedoch seine Einwände. Wir zwangen ihn förmlich, den Gegenwert von zwei Zechinen anzunehmen, hundertzwanzig silberne Asper. Als er sich immer noch sträubte, sagte Antonio: »Hör auf mit dem blöden Gezappel. Du hast Pferde gefüttert, Wachen übernommen, mit deinen Pfeilen ein paar Ziegen und einen Steinbock erlegt, und weil du mit uns unterwegs warst, konntest du ja nirgendwo anders arbeiten.«
Wir hatten einen sauberen Raum mit drei Matratzen gemietet. Neben den Ställen gab es ein großes Bad, in dem ein Diener heißes Wasser und Tücher verwaltete. Nach dem Essen begaben wir uns dorthin, um den Ruch der Reise, der Pferde und der Berge abzuwaschen. Danach verschwand Belgutai; Antonio und ich beschlossen, wir seien zu müde für größere Unternehmungen.
»Hoffentlich macht er keinen Lärm, wenn er nachher zum Schlafen kommt«, sagte Antonio. Er zupfte an den Decken herum, in die er sich gewickelt hatte. »Nebenbei – ich weiß nicht, ob es nicht bei uns ebenso lange her ist.«
»Nur zu. Hast du noch genug Geld?«
Er kicherte. »Ich bin zu müde. Sauber und müde. Was hast du morgen vor?«
Ich streckte mich lang aus und schloß die Augen. »Erstens Geld beschaffen. Und dann wollte ich den edlen Herrn Antonio, Besitzer eines ferman , kniefällig bitten, mit mir den Ort aufzusuchen, an dem sich der mächtige Kassem ben Abdullah aufhält, wo immer das sein mag. Danach? Weiß ich noch nicht.«
»Was willst du denn tun, wenn wir zu ihm vorgelassen werden? Falls er überhaupt hier ist.«
»Ich will ihm Fragen stellen.«
»Soll ich dabei zuhören? Mitmachen? Bei was auch immer?«
»Ohne dich und deinen ferman komme ich nicht zu ihm, fürchte ich. Also wirst du bitte mitkommen, zuhören, mich von Dummheiten abhalten.«
»Ah.«
»Was bedeutet das genauer?«
Er lachte leise. »Jakko macht Dummheiten. Na gut; aber wie soll ich dich abhalten?«
»Notfalls mit Gewalt.«
»Hm. So arg?«
Ich richtete mich auf und starrte ihn an. »Du kennst meine Geschichte. Die anderen, die für das Gemetzel zuständig waren, habe ich getötet.«
»Das wäre ... dumm.«
»Du sagst es. Den höchsten türkischen Amtsträger in seinem Haus umbringen?« Ich seufzte und ließ mich wieder sinken. »Wenn es so sein soll, werde ich eine andere Gelegenheit und einen anderen Ort suchen. Einen, von dem es einen Fluchtweg gibt.«
Belgutai war leise, als er ins Zimmer kam; wir schliefen ungestört bis zum Morgen. Nach einem eher hastigen Morgenmahl – ich hatte keine Ruhe – verließ ich die beiden; der Wirt nannte mir eine Bank, die Geschäfte mit dem Westen machte. Es war nicht weiter schwierig, auf den Brief hin, den mir eine venezianische Bank ausgestellt hatte, hundert Altun in wenigen Gold- und vielen Silbermünzen zu bekommen.
Belgutai kannte von seinem früheren Aufenthalt den befestigten Palast des türkischen Statthalters. Er führte uns dorthin. Auf dem Weg fragte ich ihn, ob er sich nicht bei irgendeinem Offizier melden müßte, als Überlebender der Kämpfe um Herceg Novi. »Wenn ihr in Palast«, sagte er.
»Und? Hast du eine Ahnung, was man mit dir anstellen könnte?«
»Nichts.« Er breitete die Arme aus und lächelte. »Restlichen Sold, wenn Glück haben. Wissen wollen, wie ich übergelebt und herkünftig gelungen.«
»Ah, das war eine Söldnertruppe, zu der du gehört hast?«
Belgutai nickte. »Keine Dienstlichkeit von Leben.«
Mit Belgutais Hilfe fragten wir einen türkischen Offizier, der vor dem Palast eine Wachablösung beaufsichtigte, wo wir den edlen Herrn Kassem ben Abdullah finden könnten.
Der Mann musterte uns einen Moment, dann sagte er in geläufigem Italienisch: »Ein Mongole, ein Venezianer – und du?«
»Deutscher.«
»Und ihr wollt zu Kassem ben Abdullah?
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