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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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eines seiner letzten Pfefferkörner in einem Mörser, streute ein wenig Pfeffer über den Sud aus Kräutern, Wasser und Wein, süßte mit Honig, ließ alles noch einmal kurz aufkochen und zog den Topf dann von der heißen Platte. Mit zwei gefüllten Bechern kehrte er zurück zum Tisch am Fenster.
    »Also?« sagte er.
    Ich sog vorsichtig viel kühle Luft und wenig heißen Sud durch die Zähne, schluckte und sagte: »Gut.«
    »Das meine ich nicht; ich weiß, daß das gut ist. Was ist mit dem Schandbuben? Dem schuftigen Schurken, dem schwarzen Schwein?«
    »Kommt bald.«
    »Wieso bald?«
    »Ich wollte noch etwas über meine Gedanken und Gefühle schreiben. Danach.«
    Goran stöhnte. »Wen kümmern deine Gedanken und Gefühle?«
    »Mich. Ich weiß immer noch nicht, was Kassems Tod wirklich für mich bedeutet hat. Bedeutet. Ich habe die undeutliche Hoffnung, daß ich es begreifen könnte, wenn ich es aufschreibe.«
    »Dann schreib es auf. Aber nicht da.«
    »Wo denn?«
    Er wischte mit der Hand über den Tisch. »Auf altes Holz oder mürbes Wasser. Schreib, was immer du schreiben willst, und ich wünsche dir Gedeih bei der Suche nach deinem Innenleben. Aber das tut nichts zur Geschichte.«
    »Meinst du? Ist es nicht so, daß die Empfindungen, die einen der Beteiligten bewegen, eine gewisse Bedeutung für die Geschichte haben?«
    »Ändern sie den Verlauf?«
    Ich überlegte einen Moment. »Eigentlich nicht«, sagte ich dann.
    »Siehst du! Wenn es für die Geschichte unerheblich ist ...«
    »So unerheblich wie Tageszeiten und Hitze oder Kälte oder Gerüche.«
    »Nein.«
    »Noch unerheblicher?«
    »Sehr viel unerheblicher. Gerüche und all das helfen mir, wenn ich es lese, mir ein Bild zu machen. Mich irgendwie an deine Stelle zu tasten, uh, zu fühlen.«
    »Und die Empfindungen nicht?«
    Goran schüttelte den Kopf. »Nein; wenn sie nichts enthalten, was mich beim Lesen überrascht. Ich meine, ich weiß, wenn ich bis hierhin gelesen habe, was Kassem für dich war, daß du ihn geliebt und gehaßt hast. Wie wichtig es dir gewesen wäre, Antworten zu bekommen. Die hättest du aber, nehme ich an, gar nicht gekriegt, auch, wenn er noch länger gelebt hätte.«
    Ich nahm einen nicht ganz so vorsichtigen zweiten Schluck und verbrühte mir beinahe die Zunge. »Warum glaubst du das?«
    »Er hat getan, was er tun mußte. Wie wir alle. Dich mußte er nicht umbringen. Er hätte es tun können. Er hätte dich zurücklassen können. Er hätte, ach, was weiß ich denn. Er hat einfach beschlossen ...«
    »Die anderen, Jorgo und Avram, haben ihm zugeredet.«
    »Na gut, dann hat er eben nicht beschlossen, sondern sich überreden lassen, dich mitzunehmen und aufzuziehen, gewissermaßen. Mit – wie alt warst du? Fünfzehn? Mit fünfzehn ist man ein unfertiges Tier, weißt du. Deshalb aufziehen. Er hat es getan, weil es ihm so gefiel – nachdem die anderen auf ihn eingeredet haben. Es gibt da keine Gründe, die dich zur Erkenntnis führen oder zu Gott oder zum Teufel.«
    »Also nichts davon schreiben?«
    »Du hast sowieso schon zuviel darüber geschrieben. Ich habe es gelesen, ich habe es behalten, ich weiß, daß es dir wichtig war, ich weiß bei deinem nächsten Schritt, daß es ein Teil deiner Gedanken ist und zu deinen Beschlüssen beiträgt. Mehr muß ich nicht wissen.« Er kicherte. »Mehr will ich nicht wissen. Schreib einfach weiter. Kommt jetzt endlich der Schurke?«
    »Wart’s ab.«

    Sie nahmen uns mit, aber sie brachten uns nicht zum Palast oder zu einem der anderen Gebäude in der Stadtmitte, in denen Verwalter, Befehlshaber oder Richter saßen. Wir gingen vorbei an der großen Moschee nach Süden. Sie hatten Antonio und mir die Hände auf den Rücken gebunden, und alle Versuche, etwas aus dem Offizier herauszuholen, führten zu nichts – Schweigen.
    »Wer hat das wohl angeordnet?« sagte Antonio.
    »Einer, dem er« – ich wies mit dem Kopf auf den Offizier – »zu gehorchen hat.«
    »Vielleicht einer, der gut zahlt?«
    Wir redeten laut genug, so daß der Mann alles verstehen konnte, aber er schwieg weiterhin.
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Die edlen Offiziere des Sultans sind über Bestechung erhaben. Und sie würden keinem gehorchen, der etwas Ungesetzliches anordnet.«
    »Meinst du?« Antonio schnaufte. »Dann wüßte ich gern, welcher rechtschaffene Gebieter uns festnehmen läßt, nur weil wir beim letzten Atemzug eines Mannes zufällig in der Nähe waren.«
    Inzwischen hatten wir die eigentliche Stadt fast hinter

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