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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Belgutais Stimme war laut genug, um die dreißig oder vierzig Schritte zu überwinden, die ihn von uns trennten. Sie war aber auch völlig unaufgeregt; und sie war mir kostbar und gewissermaßen voller Verheißungen.
    Er kam näher, einen Pfeil auf der halb gespannten Sehne. »Zwei Männer kämpfen«, sagte er, »gut so, aber keiner in Rücken.«
    Karim hatte seinen Degen fallen lassen; Blut rann aus Arm und Schulter und tränkte sein Hemd. Er wankte, verdrehte die Augen, sagte »verbinden« und sank auf die Knie. Der dritte seiner Begleiter lief zu ihm und begann, das zerschlitzte rote Hemd zu zerreißen, um seinen Herrn vor dem Verbluten zu bewahren.
    Belgutai ließ den Pfeil auf der Sehne und stellte sich so, daß er an mir vorbeischauen und die anderen im Auge behalten konnte.
    »Was ist mit den übrigen?« sagte ich.
    Belgutai streifte die beiden, die von seinen Pfeilen getroffen waren, mit einem Blick. »Eins tot, eins zuck-zuck«, sagte er.
    »Antonio?«
    Der Mongole hob die Schultern.
    Karim Abbas kniete immer noch. Seinem Diener war es offenbar gelungen, die Wunden einigermaßen zu verbinden. Nun half er ihm beim Aufstehen. Karim gab ihm den Degen. »In die Scheide«, befahl er; seine Stimme war deutlich, aber leise.
    »Warum das alles?« sagte ich.
    Karim verzerrte das Gesicht zu einem bemühten Lächeln. »Bei der nächsten Begegnung – am Ende der nächsten Begegnung.«
    »Was hindert mich daran, dich jetzt abzustechen, um ein Ende zu machen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Deine Ehre, Krieger.« Er murmelte etwas; sein Diener stützte ihn, und sie gingen zu den Pferden.
    »Was reden?« sagte Belgutai. »Nicht verstand.«
    Erst da wurde mir bewußt, daß Karim und ich zuletzt Arabisch gesprochen hatten, seit seinem Ruf »nicht, das ist ehrlos«.
    »Gleich.« Ich rief: »Karim Abbas, ehrenhafter Krieger – was ist mit deinem verwundeten Diener?«
    Er hielt sich am Steigbügel fest und gab seinem Diener eine für mich unhörbare Anweisung. Der Mann ging mit steifen Schritten, ohne uns zu beachten, zu seinem gestürzten Kameraden, kniete neben ihm, versuchte mit ihm zu reden, schüttelte den Kopf, zog ein Messer aus dem Gürtel und schnitt ihm die Kehle durch. Dann stand er auf, riß dabei den Pfeil aus dem Bauch des Verblutenden, warf ihn Belgutai vor die Füße und ging zurück zu seinem Herrn.
    Belgutai zerfetzte das Hemd des anderen Toten; den Pfeil ließ er zunächst in dessen Hals stecken. Mit Hemdstreifen verband er meine Schulter und fertigte eine Schlinge für den Arm; mit einem anderen Stoffstück tupfte ich Blut von meiner geöffneten Wange.
    Plötzlich stieß er einen halblauten Ruf aus und kniete neben Antonio nieder. »Finger«, sagte er.
    Offenbar hatte er ein Zucken oder sonst eine Bewegung gesehen. So gut ich konnte, half ich ihm, Antonio sanft auf den Rücken zu drehen. Das Gras unter ihm war schwarz.
    »Freund«, sagte ich leise, »Bruder, kannst du mich hören?«
    Antonios Lider bewegten sich, flatterten, blieben offen. Er sah mich an, aber der Blick ging durch mich hindurch. Er machte einen beinahe schmerzhaft spürbaren Versuch, die Augen neu auszurichten, sah mich wirklich an und lächelte schwach.
    »Du lebst«, flüsterte er. »Gut. Sag meinem Vater, ich ...« Er röchelte; blutiger Schaum sammelte sich in seinen Mundwinkeln. Ich wartete auf einen weiteren Atemzug, eine Bewegung. Dann seufzte ich und drückte ihm die Augen zu.
    Belgutai streckte die Arme aus, drehte die Handflächen nach oben und murmelte etwas. Es wurde zu einem halblauten Singsang. Schließlich ließ er die Arme wieder sinken und sagte: »Was tun? Antonio?«
    Ich sah mich um. Karim Abbas und sein Diener waren mit den Pferden verschwunden. Ich kniete wieder neben Antonio nieder und untersuchte mit der unversehrten Hand seine Taschen, seinen Gürtel, löste den Beutel und warf ihn Belgutai zu.
    »Geld?«
    »Ja.«
    Er verzog den Mund. »Ich nicht nimm.«
    »Doch«, sagte ich, »du nimm. Geld von einem toten Freund ist gut und sauber, kein Makel.« Die wenigen Papiere, die er in den Taschen gehabt hatte, steckte ich ein; dann reckte ich den Arm, und Belgutai half mir auf die Füße.
    Er wog immer noch den Beutel in der anderen Hand, mit einer Miene, in der sich Ablehnung, Begehr und etwas wie heiliges Entsetzen mischten. Wenn ich es richtig deuten konnte.
    »Belgutai.« Ich legte ihm die rechte Hand auf die Schulter. »Ich schulde dir mein Leben. Für schnelle Pfeile und scharfes Auge.«
    »Beutel so nicht

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