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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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können Sie gleich vergessen.« Federow leerte eine Schublade und stöberte - ganz der diensteifrige Untergebene, der er war - im Zimmer herum. »Das gibt’s nicht mehr. Niemand will hier einen Flüchtling aus unserer demokratischen Sowjetunion haben.«
    Arkadi hatte den Vizekonsul seit ihrer ersten Begegnung nicht mehr gesehen, aber Platonow hatte ihn nicht vergessen.
    »Was habe ich Ihnen gesagt? Schauen Sie sich die Museen an, kaufen Sie Geschenke ein. Sie hätten ein Jahresgehalt verdienen können, wenn Sie hier Mitbringsel eingekauft und nach Ihrer Rückkehr wieder verkauft hätten. Ich habe Sie gewarnt, daß Sie keinen offiziellen Status haben und nicht mit der deutschen Polizei rechnen können. Und was machen Sie? Sie gehen nicht nur unverzüglich zu den Deutschen, sondern ziehen auch noch das Konsulat mit in die Sache hinein.«
    »Sind Sie in der Nähe eines Feuers gewesen?« Federow schnüffelte an Arkadis Jacke.
    Arkadi hatte die Kleidungsstücke, die er am gestrigen Abend getragen hatte, gewaschen und selbst ausgiebig geduscht, dennoch bezweifelte er, daß sein Haar oder auch die Jacke je wieder den Brandgeruch verlieren würden.
    »Renko«, sagte Platonow, »zweimal in der Woche treffe ich mich mit bayerischen Industriellen und Bankiers, um sie davon zu überzeugen, daß wir zivilisierte Leute sind und sie uns getrost ihre Millionen anvertrauen können. Dann tauchen Sie hier plötzlich auf und beginnen damit, Erpressungsgelder einzutreiben. Federow hat mir gesagt, daß er große Schwierigkeiten gehabt habe, einen Polizisten davon zu überzeugen, daß er, Federow, nicht an einem Komplott gegen deutsche Banken beteiligt ist.«
    »Wie hätten Sie’s gefunden, von der Gestapo besucht zu werden?« Federow schüttete Brieftasche, Zahnbürste und Zahnpasta in Arkadis Tasche, konfiszierte den Schlüssel zum Schließfach und das Lufthansa-Ticket und steckte beides ein.
    »Hat er eine besondere Bank erwähnt?« fragte Arkadi. »Nein.« Federow inspizierte den Kühlschrank und fand ihn leer.
    »Haben die Deutschen offiziell Protest eingelegt?«
    »Nein.« Federow faltete die Karte zusammen und warf sie in die offene Tasche.
    »Haben Sie seitdem von der Polizei gehört?«
    »Nein.«
    Nicht einmal seit dem Unfall? Das ist interessant, dachte Arkadi. »Ich brauche mein Flugticket«, sagte er.
    »Keineswegs.« Platonow warf ein Aeroflot-Ticket auf den Tisch. »Wir schicken Sie bereits heute zurück. Federow wird Sie ins Flugzeug setzen.«
    »Mein Visum ist noch eine Woche gültig«, meinte Arkadi.
    »Betrachten Sie Ihr Visum als aufgehoben.«
    »Ich brauche neue Anweisungen vom Büro des Oberstaatsanwalts. Vorher kann ich nicht abreisen.«
    »Oberstaatsanwalt Rodionow ist schwer zu erreichen. Ich frage mich selbst, warum er einen Chefinspektor mit einem Touristenvisum zu uns geschickt hat, ohne amtliche Befugnisse. Die ganze Angelegenheit kommt mir äußerst seltsam vor.«
    Platonow ging hinüber zum Fenster und sah hinaus auf den Bahnhof. Über die Schulter des Vizekonsuls blickend, sah Arkadi Züge einfahren und morgendliche Pendler aus dem Seiteneingang strömen. Platonow schüttelte bewundernd den Kopf. »Das ist deutsche Tüchtigkeit.«
    »Ich fahre nicht«, sagte Arkadi.
    »Sie haben keine andere Wahl. Entweder setzen wir Sie ins Flugzeug, oder die Deutschen tun es. Denken Sie daran, wie das in Ihren Personalakten aussehen würde. Ich biete Ihnen einen bequemen Ausweg«, sagte Platonow.
    »Ich werde also ausgewiesen?«
    »So einfach ist das«, sagte Platonow. »Und völlig legal. Ich bin wirklich froh über unsere guten diplomatischen Beziehungen.«
    »Ich bin noch nie irgendwo ausgewiesen worden«, sagte Arkadi. Er war festgenommen und ins Exil geschickt worden, aber nie aus einem Land gezwungen worden. Das Leben wird immer komplizierter, dachte er.
    »Eine Sache mit Zukunft«, sagte Federow. Er zog auch die übrige Wäsche von der Leine und stopfte sie zu den anderen Sachen in die Reisetasche.
    Die Tür öffnete sich. Im Flur stand ein schwarzer Hund, der, wie Arkadi vermutete, zu den Begleitumständen des Ausweisungsprozesses gehörte. Das Tier hatte Augen, die dunkel waren wie Achat, und nach seiner Größe und der Dichte seines Fells zu urteilen, stammte er von einem Bären ab. Selbstbewußt betrat er den Raum und betrachtete die drei Männer mit gleichem Argwohn.
    Ungleiche Schritte näherten sich, und Stas sah herein. »Wollen Sie verreisen?« fragte er Arkadi.
    »Gezwungenermaßen.«
    Stas trat ein, ohne

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