Das Labyrinth
Rasen vor dem Haus stellte ein Mann eine Kombination aus Tisch und Sonnenschirm auf.
Michael führte Arkadi über die Grasfläche. Obwohl kein Tropfen fiel, trug der Mann einen Regenmantel und Gummistiefel. Etwa sechzig Jahre alt, mit hoher Stirn und ausgeprägten Kieferknochen, schien er Michaels Ankunft mit einer Mischung aus Verzweiflung und Erleichterung entgegenzusehen.
»Sir, das ist Chefinspektor Renko. Präsident Gilmartin«, sagte Michael.
»Angenehm.« Gilmartin drückte Arkadi mit dem kräftigen Druck eines Sportsmannes die Hand. Dann durchsuchte er den Werkzeugkasten auf dem Tisch nach der makellosesten Kombizange, die er finden konnte. Ein Schraubenschlüssel und ein Schraubenzieher lagen bereits auf dem Rasen.
Michael nahm seine Sonnenbrille ab und ließ sie achtlos an der Kordel hängen. »Warum haben Sie mich das nicht machen lassen?«
»Diese gottverdammten Deutschen beschweren sich immer über meine Parabolantenne. Aber ich brauche das Ding, und dies ist der einzige Platz, an dem ich einen guten Empfang habe, wenn ich sie nicht auf dem Dach aufstellen will, denn dann fangen die Heinis erst recht an, Stunk zu machen.«
Jetzt, wo Arkadi näher hinsah, begriff er, daß der Sonnenschirm nur Tarnung war, ein gestreifter Stoff über einer Satellitenantenne von rund drei Metern Durchmesser. Die Antenne und der Tisch waren mit Stahlbolzen im Boden verankert.
»Die Bolzen sind eine gute Idee«, sagte Michael.
»Ich bin lange genug beim Rundfunk, um zu wissen, daß Pfusch sich nicht lohnt«, sagte Gilmartin. Er wandte sich an Arkadi. »Ich war dreißig Jahre bei den großen Networks, bis mir die Richtung nicht mehr gefiel, die alles nahm. Ich wollte eine Wirkung erzielen.«
»Tommy«, erinnerte ihn Michael.
»Ja.« Gilmartin blickte Arkadi fest an. »Finstere Zeiten, Renko. Wir hatten Probleme in der Vergangenheit. Morde, Einbrüche, Bomben, und ihr habt unsere tschechische Abteilung vor ein paar Jahren hochgehen lassen, habt versucht, unseren rumänischen Abteilungsleiter in seiner Garage zu erstechen, und einer unserer besten russischen Mitarbeiter wurde mit Stromstößen umgebracht. Aber nie haben wir einen Amerikaner verloren, und das auch nicht in den Tagen, als wir noch offen von der CIA unterstützt wurden. Doch das ist schon Prähistorie. Jetzt finanziert uns der Kongreß.«
»Wir sind eine private Körperschaft«, sagte Michael.
»Delaware, glaube ich. Was ich sagen will: Wir sind keine Geheimagenten.«
»Tommy war ein harmloser Bursche«, sagte Michael.
»Harmloser als jeder, den ich kenne«, sagte Gilmartin.
»Außerdem sind die Tage der rohen Gewalt doch wohl vorbei. Was haben Sie, ein sowjetischer Inspektor, also mit Tommy gemacht, als er starb?«
»Tommy hatte ein geschichtliches Interesse am Krieg gegen Hitler. Er hat mir Fragen über Leute gestellt, die ich kannte.«
»Das kann doch nicht alles sein«, sagte Gilmartin.
»Das kann noch lange nicht alles sein«, bestätigte Michael.
»Der Sender ist wie eine große Familie«, sagte Gilmartin.
»Einer paßt auf den anderen auf. Ich möchte die ganze Geschichte erfahren, ohne Beschönigungen.«
»Zum Beispiel?« fragte Arkadi.
»War Sex im Spiel? Ich meine nicht Sie und Tommy. Ich meine, gab es Frauen?«
»Der Präsident meint«, sagte Michael, »ob Washington, wenn man Tommys Wäsche durchwühlt, auf Schmutz stoßen wird?«
»Dabei spielt es keine Rolle«, sagte Gilmartin, »daß Prostitution in Deutschland legal ist. In Peoria werden amerikanische Maßstäbe angelegt. Schon der Verdacht eines Skandals bringt Bezichtigungen im Hinblick auf Korruption und einen ausschweifenden Lebenswandel mit sich.«
»Und die Gelder werden uns gekürzt«, sagte Michael.
»Ich möchte alles wissen, was Sie und Tommy gestern abend gemacht haben«, sagte Gilmartin.
Arkadi nahm sich einen Augenblick Zeit, bevor er antwortete: »Tommy kam zu mir in die Pension. Wir sprachen über den Krieg. Nach einer Weile sagte er, er brauche etwas frische Luft, also sind wir in sein Auto gestiegen und in der Gegend herumgefahren. In der Nähe der Autobahn haben wir dann tatsächlich ein paar Prostituierte gesehen. Zu dem Zeitpunkt habe ich Tommy verlassen, und er fuhr allein zurück nach München. Dabei kam es zu dem Unfall.«
»Hatte Tommy sexuellen Kontakt zu einer Prostituierten?« fragte Gilmartin. »Nein«, log Arkadi.
»Hat er mit einer Prostituierten gesprochen?« fragte Michael.
»Nein«, log Arkadi abermals.
»Hat er, abgesehen von Ihnen,
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