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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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noch mit anderen Russen gesprochen?«
    »Nein«, log Arkadi ein drittes Mal.
    »Warum haben Sie sich getrennt?« fragte Gilmartin.
    »Ich wollte zu einer Prostituierten. Tommy weigerte sich zu bleiben.«
    »Wie sind Sie anschließend zurück nach München gekommen?« fragte Michael.
    »Die Polizei hat mich mitgenommen.«
    »Ein trauriger Abend«, sagte Gilmartin.
    »Tommy hatte keine Schuld«, sagte Arkadi.
    Michael und Gilmartin wechselten einen vielsagenden Blick, dann hob der Ältere den Kopf und betrachtete den Himmel. »Ziemlich dünn.«
    »Aber wenn Renko dabei bleibt, ist es nicht schlecht. Er ist schließlich Russe. Sie werden ihn nicht monatelang in die Mangel nehmen. Und denken Sie daran, Tommy fuhr einen ostdeutschen Trabant, kein sehr zuverlässiges Auto. Darauf werden wir uns konzentrieren: Der Wagen war eine Todesfalle.« Michael klopfte Arkadi auf den Rücken: »Sie haben Glück gehabt, daß Sie noch am Leben sind.«
    »Es muß ein ziemlicher Schlag für Sie sein, Tommy zu verlieren«, sagte Arkadi zu Gilmartin.
    »Mehr eine persönliche Tragödie. Er war kein Mann, der Entscheidungen traf. Richtig?«
    »Ja, Sir«, sagte Michael.
    »Obwohl er natürlich auch wichtig war«, fügte Gilmartin rasch hinzu. »Michaels Russisch ist besser als meins, aber man muß fairerweise sagen, daß ohne unsere Übersetzer die russischen Redakteure Amok laufen würden.«
    Gilmartins Aufmerksamkeit wurde wieder von der Antenne in Anspruch genommen. Er wies mit seiner Kombizange auf einige Schrauben, die in den Falz der Montageanleitung gerollt waren. »Verstehen Sie was von Satellitenantennen?« fragte er Arkadi.
    »Nein.«
    »Ich fürchte, ich habe die Ausrichtung etwas verändert«, gestand Gilmartin.
    »Sir, wir werden die Belastung durch den Wind noch einmal durchrechnen, das Signal überprüfen und nachsehen, ob Sie irgendein Kabel beschädigt haben«, sagte Michael. »Ich denke, Sie haben gute Arbeit geleistet.«
    »Finden Sie?« Beruhigt trat Gilmartin einen Schritt zurück, um sein Werk besser betrachten zu können. »Es wäre noch überzeugender, wenn wir hier Stühle hinstellten und die Leute das Ding wirklich als Sonnenschirm benutzten.«
     
    Stas lebte allein … und doch wieder nicht ganz. Durch die Diele zu gehen bedeutete, sich zwischen Gogol und Gorki hindurchzuzwängen. Dichter von Puschkin bis Woloschin residierten in einem Schrank. Die erhabenen Gedanken Tolstois füllten Regale über einer schwedischen Musikanlage, Cds und einem Fernsehgerät. Zeitungen und Zeitschriften türmten sich, nach Jahrgängen gestapelt. Ein leichtes Rutschen, dachte Arkadi, und man wird unter einer Lawine altbackener Nachrichten, klassischer Musik und Romane begraben.
    »Ich empfinde es nicht als Unordnung«, sagte Stas. »Für mich ist es wie das Leben, das anflutende Leben.«
    »Sieht eher nach einer Überflutung aus«, sagte Arkadi.
    »Hotelzimmern fehlt die Seele«, sagte Stas.
    Laika saß neben der Tür. Arkadi konnte unter dem dichten Fell kaum ihre Augen sehen, spürte jedoch, daß sie jeder seiner Bewegungen folgten.
    »Danke. Und jetzt habe ich noch etwas zu erledigen«, sagte er.
    Nach dem Besuch beim Chef des Senders hatte Arkadi den Rest des Tages damit verbracht, Benz’ Haus zu beobachten. Jetzt war es Abend, und das Licht sickerte langsam aus dem Raum. Arkadi hatte sich entschlossen, so lange mit der U-Bahn zu fahren, bis sie ihren Betrieb einstellte. Dann wollte er sich ein billiges Ticket für einen Zug am frühen Morgen kaufen und auf dem Bahnhof übernachten. Damit würde er ein Reisender und kein Heimatloser sein. Er war nur wegen seiner Reisetasche zu Stas gekommen.
    Eine Frage allerdings drängte sich ihm immer wieder auf. Sie war so offensichtlich, daß es ihn zuviel Anstrengung kostete, sie nicht zu stellen. »Wo wohnt Max eigentlich?«
    »Ich weiß es nicht. Trinken Sie ein Glas, bevor Sie gehen«, sagte Stas. »Ich nehme an, daß Sie eine lange Nacht vor sich haben.«
    Bevor Arkadi ablehnen oder um den Hund herum zur Tür gehen konnte, war sein Gastgeber schon in der Küche verschwunden. Er kehrte mit zwei Gläsern und einer Flasche Wodka zurück. Der Wodka war eisgekühlt. »Na so was«, sagte Arkadi.
    Stas schenkte die Gläser halb voll. »Auf Tommy.«
    Der eiskalte Wodka ließ Arkadis Herz für einen Augenblick stillstehen. Alkohol schien sich auf Stas nicht im mindesten auszuwirken; er war wie ein leichtes Rohr, das jedem Sturm trotzte. Er schenkte noch einmal nach. »Auf Michael«, schlug er

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