Das Labyrinth
vor. »Und auf die Schlange, die ihn beißt.«
Arkadi trank darauf und stellte das Glas auf einen Stoß Zeitungen außer Reichweite seines Gastgebers. »Ich frage nur aus Neugier. Sie scheinen alles zu tun, um die Amerikaner zu verärgern. Warum werden Sie eigentlich nicht gefeuert?«
»Die deutschen Arbeitsgesetze. Wer einmal einen Job hat, läßt sich nicht so leicht wieder an die Luft setzen. Zudem muß das Ganze innerhalb des Senders durch Gremien, in denen die amerikanische Verwaltung und Vertreter des russischen Mitarbeiterstabs sitzen, genehmigt werden. Und deren Berichte, so will es das Gesetz, sind auf deutsch abzufassen. Michael versucht jedes Jahr einmal, mich zu feuern. Wunderbar, es ist fast so, als ließe man einen Haifisch verhungern. Aber wie dem auch sei:
Ich schicke gute Programme in den Äther.«
»Es macht Ihnen Spaß, ihn zu ärgern?«
»Ich sage Ihnen, was ihn wirklich ärgert - als die Juden im Redaktionsstab den Sender antisemitischer Tendenzen bezichtigten, damit vor ein deutsches Gericht gingen und den Prozeß auch noch gewannen: Das gab Ärger. Ich möchte nicht, daß Michael solche Vorfälle vergißt.«
»Als Max zurück nach Moskau ging, gab es da nicht auch Ärger?«
Stas atmete tief ein. »Es war für mich und Irina nicht gerade angenehm. Im Grunde für niemanden. Wir hatten schon vorher Sicherheitsprobleme.«
»Michael hat so etwas gesagt. Eine Explosion?«
»Deswegen haben wir jetzt die Tore und die hohen Mauern. Aber wenn der Leiter der russischen Abteilung sich nach Moskau absetzt, ist das ein Sicherheitsproblem von ganz anderen Ausmaßen.«
»Ich könnte mir vorstellen, daß Michael Max noch mehr haßt als Leute wie Sie.«
»Das können Sie laut sagen.« Stas blickte in sein leeres Glas.
»Ich kenne Max jetzt seit zehn Jahren. Es hat mir immer schon imponiert, wie er mit den Amerikanern und uns gleichermaßen zurechtkommt. Er stellt sich um, je nachdem, wo er ist und mit wem er spricht. Sie und ich, wir beide sind Russen. Max dagegen läßt sich nicht fassen. Er wechselt seine Gestalt, paßt sich jeder Umgebung an. In undurchsichtigen Situationen ist er der König. Als er aus Moskau zurückkam, war er noch geschäftstüchtiger als vorher. Die Amerikaner vertrauen Max bedingungslos, weil er wie ein Spiegel auf sie wirkt, in dem sie sich selbst sehen. Für sie ist er wie jeder andere Amerikaner.«
»In was für Geschäfte ist er verwickelt?«
»Ich weiß es nicht. Bevor er zurückging, sagte er, daß sich aus dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Vermögen machen ließe. Er sagte, es sei wie bei jedem großen Bankrott, überall gebe es Vermögenswerte und Aktivposten. Wer ist der größte Landbesitzer in der Sowjetunion? Wer besitzt die größten Bürogebäude, die besten Ferienheime, die einzig anständigen Wohnhäuser?«
»Die Partei.«
»Die Kommunistische Partei. Max sagte, man brauche nur ihre Namen zu ändern, eine Gesellschaft zu gründen und der Sache eine neue Struktur zu geben. Und dann die Gesellschafter ausbooten und die Werte versilbern.«
Arkadi war sich nicht sicher, zu welchem Zeitpunkt er seine Tasche abgesetzt hatte, aber mit einemmal stellte er fest, daß er auf der Couch saß. Brot, Käse und Zigaretten lagen auf dem Tisch, und eine Lampe schickte Licht in drei Richtungen. Die Balkontür stand offen und ließ neben den Geräuschen der Straße auch die Nachtluft herein.
Stas füllte die Gläser. »Ich war kein Spion. Der KGB bezeichnete Demonstranten und Dissidenten entweder als Spione oder als Geisteskranke. Russen wissen das, und ich hatte absolut nicht erwartet, daß die Amerikaner dachten, es sei der Plan des KGB, den gefährlichen Stas in den arglosen Westen einzuschleusen. Einige Schlauköpfe von der CIA waren davon überzeugt. Und wirklich alle vom FBI. Das FBI glaubt keinem Überläufer. Wäre Jesus auf einem Esel aus Moskau gekommen, hätten sie auch eine Akte über ihn angelegt.
Es gab damals wirkliche Helden. Ich spreche nicht von mir. Männer und Frauen, die durch Minenfelder in die Türkei krochen oder durch Gewehrfeuer liefen, um in eine Botschaft zu gelangen. Die Beruf und Familien hinter sich lassen mußten.
Für was? Für die Tschechoslowakei, Ungarn, Gott, Afghanistan. Was nicht heißen soll, daß sie nicht kompromittiert waren. Sie, Arkadi, verstehen das, aber nicht die Amerikaner. Wir sind mit Spitzeln großgeworden. Unter unseren Freunden und Familienangehörigen hat es immer Spitzel gegeben. Selbst unter den Helden gab
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