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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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weiterzubetreiben -, aber die Leute drüben in Amerika, die lesen die Schlagzeilen über das, was in Moskau geschieht, und schauen uns an und sagen: >Sie hätten bleiben sollen.< Es spielt keine Rolle mehr, ob wir gezwungen waren, unser Land zu verlassen, oder ob wir unser Leben riskiert haben und die Welt retten wollten. Jetzt sagen die Amerikaner: >Sie hätten bleiben sollen.< Und jemanden wie Sie, den sehen sie an und sagen: >Seht, er ist geblieben.<«
    »Ich hatte keine andere Wahl. Ich habe ein Abkommen getroffen. Sie wollten Irina nur in Ruhe lassen, wenn ich blieb. Aber wie dem auch sei, das ist lange her.«
    Stas starrte in sein leeres Glas. »Wenn Sie die Wahl gehabt hätten - wären Sie mit ihr gegangen?«
    Arkadi schwieg. Stas beugte sich vor und wischte den Rauch beiseite, um ihn besser sehen zu können. »Wären Sie?«
    »Ich war Russe. Ich glaube nicht, daß ich hätte gehen können.« Stas schwieg.
    Arkadi fügte hinzu: »Aber daß ich in Moskau geblieben bin, hat sicher keinen Einfluß auf die Geschichte gehabt. Vielleicht war ich der Narr.«
    Stas erhob sich, ging in die Küche und kehrte mit einer weiteren Flasche zurück. Laika behielt immer noch Arkadi im Auge, für den Fall, daß er eine Bombe, eine Pistole oder einen spitzen Regenschirm hervorholte.
    »Es war schwer für Irina in New York. War sie in Moskau beim Film?« fragte Stas.
    »Sie war eigentlich Studentin, bis sie relegiert wurde. Dann bekam sie eine Arbeit als Garderobiere bei Mosfilm«, sagte Arkadi.
    »In New York hat sie als Kostüm- und Maskenbildnerin gearbeitet, dann schloß sie sich einer Gruppe von Künstlern an und arbeitete in Kunstgalerien, erst dort und dann in Berlin, wobei sie sich die ganze Zeit vor selbsternannten Rettern in Sicherheit bringen mußte. Es war immer das gleiche: Ein Amerikaner verliebte sich in Irina und erklärte es anschließend damit, daß er eine gute politische Tat habe vollbringen wollen. Radio Liberty muß für sie eine Erlösung gewesen sein. Um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen - Max war derjenige, der erkannte, wie gut sie war. Sie war zunächst nicht fest angestellt, half nur gelegentlich aus. Max aber sagte, daß ihre Stimme jenes gewisse Etwas habe, wenn sie auf Sendung war, als spreche sie zu jemandem, den sie kenne. Die Leute hörten zu. Ich war zunächst skeptisch, da sie keine Sprecherausbildung hatte. Max gab mir den Auftrag, ihr beizubringen, wie sie ihre Betonungen setzen und die Uhr im Auge behalten sollte. Die meisten Leute haben keine Ahnung, wie schnell sie sprechen. Irina brauchte sich ein Manuskript nur einmal durchzulesen, um es im Kopf zu haben. Nach kurzer Zeit schon war sie die Beste.«
    Stas öffnete die Flasche. »Da waren wir also, Max und ich, zwei Bildhauer, die an derselben schönen Statue arbeiteten. Natürlich verliebten wir uns beide in Irina und hingen ständig zusammen - Max, Stas und Irina. Abendessen, Skifahren in den Alpen, ein musikalischer Abstecher nach Salzburg. Ein unzertrennliches Trio, wobei keiner von uns je von ihr bevorzugt wurde. Wirklich auf Ski habe ich mich allerdings nie gestellt. Ich habe mich in eine Hütte gesetzt und gelesen und war mir sicher, daß Max inzwischen nichts bei ihr erreichen würde: Denn in Wirklichkeit war unser Trio ein Quartett.« Er schenkte den Wodka ein. »Da war immer dieser Mann aus Irinas Vergangenheit. Der Mann, der ihr das Leben gerettet hatte, der Mann, auf den sie wartete. Wie konnte man einen solchen Helden ausstechen?«
    »Vielleicht brauchte das niemand. Vielleicht hatte sie schließlich genug vom Warten«, sagte Arkadi.
    Zu gleicher Zeit setzten sie das Glas an den Mund, wie zwei Männer, die an ein und dasselbe Ruder gekettet waren.
    »Nein«, sagte Stas. »Ich spreche absolut von lange zurückliegenden Ereignissen. Als Max letztes Jahr nach Moskau zurückging, glaubte ich, endlich freie Bahn zu haben. Aber ich wurde in einem Maße ausmanövriert, wie ich es nie für möglich gehalten hätte, was wieder einmal das Genie von Max beweist. Wissen Sie, was er tat?«
    »Nein«, sagte Arkadi.
    »Max kam zurück. Max liebte Irina, und er kam ihretwegen zurück. Das war etwas, was ich nicht konnte und was auch Sie nie getan haben. Jetzt ist er der Held, und ich bin nur noch der gute Freund.«
    Stas’ Augen brannten, als hätte der Wodka ihnen neuen Glanz verliehen. Arkadi fragte sich, ob er diesen Mann je essen gesehen hatte. Er schwenkte den Wodka in seinem Glas, so daß er wie Quecksilber aufleuchtete. »Was

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