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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Wohnungsschlüssel auf, den Stas ihm gegeben hatte. Laika beschnüffelte ihn ruhig und ließ ihn herein. Er ging in die Küche und bereitete Laika ein spätes Abendessen mit Keksen und für sich selbst eins mit Tee, Marmelade und Zigaretten.
    Schritte schlurften durch die Diele. Stas lehnte sich gegen den Türpfosten. Er trug einen Pyjama, dessen Oberteil nicht zum Unterteil paßte, und betrachtete Laika und die Kekse:
    »Schlampe.«
    »Ich habe Sie aufgeweckt«, sagte Arkadi.
    »Ich bin nicht wach. Wenn ich wach wäre, würde ich fragen, wo zum Teufel Sie gewesen sind.« Wie ein Schlafwandler ging er zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Bier heraus. »Offensichtlich halten Sie mich für einen Portier, den Hausmeister und die Fee, die Ihre Schuhe putzt. Wo sind Sie also gewesen?«
    »Bei meinem neuen deutschen Partner. Er interessiert sich brennend für die Sache, und ich revanchiere mich dadurch, daß ich ihn, so gut ich kann, in die Irre führe.«
    Stas setzte sich. »Sie können einen Deutschen weder in die Irre noch sonstwohin führen.«
    Arkadi hatte Schiller dadurch irregeführt, daß er, um Irina zu schützen, Max nicht erwähnt hatte. Peter Schiller war überzeugt, daß sein Großvater die einzige Verbindung zwischen Tommy und Benz war. »Ich habe mir seine nationalen Schuldgefühle zunutze gemacht.«
    »Wenn Sie einen Deutschen mit Schuldgefühlen finden, sollten Sie das auf jeden Fall ausnutzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß dieses Land an einer weitverbreiteten Vergeßlichkeit leidet. Aber wenn Sie einmal eine Ausnahme finden, garantiere ich Ihnen, daß es niemanden auf der Erde gibt, der sich so darin verbohrt. Stimmt’s?«
    »Ziemlich genau.«
    Stas setzte die Flasche so an die Lippen, daß sie auf ihnen zu balancieren schien, und stellte sie dann leer wieder ab. »Ich war ohnehin wach. Ich habe darüber nachgedacht, daß ich wahrscheinlich in einem Lager gestorben wäre, wenn ich in Rußland geblieben wäre. Aber vielleicht hätte man mich ja auch nur in die Mangel genommen und bliniweich geklopft.«
    »Sie hatten recht, das Land zu verlassen.«
    »Das Ergebnis ist, daß ich jetzt einen gewaltigen Einfluß auf die Weltereignisse nehme. Ich mache mich immer über den Sender lustig, aber das Budget von Radio Liberty ist geringer als die Kosten für einen einzigen strategischen Bomber.«
    Stas sah auf die Küchenuhr. Der Sekundenzeiger tickte ziemlich laut und hörte sich an wie ein Schlüssel, der sich immer und immer wieder im Schloß drehte. Laika kroch auf ihn zu und legte ihren zottigen Kopf auf seinen Schoß. Stas sagte: »Vielleicht hätte ich bleiben sollen.«
     
    Am nächsten Morgen tasteten sich die Scheinwerfer des Autos durch dichten Nebel. Fahrräder tauchten wie Geister auf und verschwanden wieder.
    Irina wohnte einen Block vom Park entfernt in einer Straße, deren Atmosphäre von Ateliers und Boutiquen bestimmt wurde. Alle Gebäude waren im Jugendstil erbaut, bis auf ihres, das einfach und modern war. Wenn auch die Fenster ihrer Wohnung nicht zu sehen waren, machte Arkadi doch ihren Balkon aus, ein Messinggeländer vor einer Wand aus Kletterpflanzen. Er stand an der Bushaltestelle am Ende der Straße, der vernünftigste und unauffälligste Platz zum Warten.
    Führte der Balkon in ihre Küche? Er stellte sich das warme Licht und den Duft von Kaffee vor. Er stellte sich auch Max Albow vor, wie er eine zweite Tasse trank, aber nein, er mußte Max aus diesem Bild ausschließen, wenn das Gefühl der Eifersucht in ihm nicht übermächtig werden sollte. Irina wird womöglich gleich aus der Haustür treten, um zum Sender zu fahren. Vielleicht wird sie dabei von Max begleitet. Er konzentrierte sich auf die Hoffnung, daß sie allein war, gerade ihre Tasse abtrocknete und dann ihren Regenmantel anzog, um den Bus zu nehmen.
    Ein Lieferwagen parkte vor dem Haus. Der Fahrer stieg aus, öffnete die hinteren Türen, betätigte eine hydraulische Hebebühne, um Kleiderständer auf die Straße zu senken, und schob sie in eine Boutique. Der Scheibenwischer des Wagens arbeitete weiter, obwohl es nicht eigentlich regnete, sondern die Feuchtigkeit in feinen Tröpfchen in der Luft hing. Das Pflaster schimmerte. Arkadi trat auf die Straße, um sich Irinas Haus näher anzusehen, als ein Bus hielt und ihn zurück auf den Bürgersteig trieb. Fahrgäste stiegen ein und aus.
    Der Bus setzte sich wieder in Bewegung und verschwand. Arkadi brauchte eine Minute, ehe er merkte, daß die von Kletterpflanzen

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