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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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kleinzukriegen, aber daß du den Oberstaatsanwalt gezwungen hast, dich zurückzuholen. Daß man dir die schwierigsten Fälle übertragen hat und du alle gelöst hast. Er war stolz auf dich. Er hat erzählt und erzählt. Er sagte, du besuchtest ihn oft und würdest mir schreiben.«
    »Was sonst noch?«
    »Daß du zu beschäftigt wärst, um dich mit Frauen abzugeben, aber daß die Frauen ständig hinter dir her wären.«
    »Und das hast du ihm alles abgenommen?«
    »Er sagte, das einzige Problem mit dir wäre, daß du ein Fanatiker seist und manchmal Gottes Platz einnähmst. Daß manches Gott selbst überlassen bleiben sollte.«
    »Ich an seiner Stelle wäre nicht besonders scharf darauf gewesen, Gottes Antlitz zu sehen.«
    »Hast du Frauen gehabt?«
    »Nein. Ich war eine Zeitlang in einer psychiatrischen Anstalt und dann in Sibirien. Später habe ich als Fischer gearbeitet. Meine Möglichkeiten waren begrenzt.«
    Sie unterbrach ihn. »Bitte. Ich kenne Rußland. Es gibt immer Möglichkeiten. Als du nach Moskau zurückgingst, mußt du doch eine Frau dort gehabt haben.«
    »Ich war verliebt. Ich habe mich nicht nach Frauen umgesehen.«
    »In mich verliebt?«
    »Ja.«
    »Du bist ein Fanatiker.«
    Sie gingen an einem Teich entlang, auf dem schneeweiße Daunenfedern trieben und auf den Regenperlen tropften. War es derselbe Teich wie vorher?
    »Arkascha, was wird nur aus uns werden?« Sie verließen den Park und betraten ein Studentencafe, in dem Maschinen aus Edelstahl über Tassen heißer Milch zischten. An den Wanden hingen Poster aus Italien - Skihänge in den Dolomiten, malerische Straßen in Neapel. An den Tischen saßen junge Leute mit geöffneten Büchern und schüsselgroßen Kaffeetassen. Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster.
    Arkadi  sprach  davon,  wie  es  ihn  nach Sibirien verschlagen und wie er in Irkutsk gearbeitet hatte, in Norilsk und dann in Kamtschatka am Meer.
    Irina sprach von New York, London und Berlin. »Die Arbeit am Theater in New York war gut, aber ich durfte nicht in die Gewerkschaft. Sie sind wie die sowjetischen Gewerkschaften, nein, noch schlimmer. Ich habe als Kellnerin gearbeitet. In New York sind die Kellnerinnen phantastisch, so hart und so alt, daß man denken könnte, sie hätten bereits Alexander den Großen oder die Pharaonen bedient. Dann in einer Kunstgalerie. Sie suchten jemanden mit einem europäischen Akzent. Ich gehörte gleichsam zu Ambiente und fing an, mich wieder mit Malerei zu beschäftigen. Niemand war damals an der russischen Avantgarde interessiert. Weißt du, du hast gehofft, mich in Rußland wiederzusehen, und ich habe davon geträumt, daß du eines Tages eine Kunstgalerie an der Madison Avenue betreten würdest, im passenden Anzug, mit guten Schuhen und Krawatte.«
    »Das nächste Mal sollten wir unsere Träume aufeinander abstimmen.«
    »Jedenfalls hat Max irgendwann das Büro von Radio Liberty in New York besucht. Er hat eine Ausstellung russischer Kunst organisiert und mich interviewt und aufgefordert, ihn anzurufen, sollte ich je in München Arbeit suchen. Ein Jahr später habe ich es getan. Ich arbeite auch noch für einige Berliner Galerien. Sie sind dauernd auf der Suche nach Kunstwerken der Revolution, deren Preise mittlerweile in astronomische Höhe klettern …«
    »Du meinst die Kunst unserer fehlgeschlagenen und in Mißkredit geratenen Revolution?«
    »Sie wird längst bei Sotheby’s und Christie’s versteigert. Die Sammler können nicht genug davon bekommen. Du steckst in Schwierigkeiten, nicht?«
    »Ich steckte in Schwierigkeiten. Jetzt nicht mehr.«
    »Ich meine, mit deiner Arbeit.«
    »Die Arbeit hat ihre Probleme. Die guten Leute sterben, und die falschen machen sich mit der Beute auf und davon. Mit meiner Laufbahn sieht es nicht gerade rosig aus, aber ich denke, ich spanne einmal aus, nehme Urlaub vom Alltagstrott.«
    »Um was zu tun?«
    »Ich könnte Deutscher werden. Allmählich natürlich. Erst werde ich Pole, dann Ostdeutscher und schließlich ein ausgewachsener Bayer.«
    »Ernsthaft?«
    »Ich würde mich jeden Tag umziehen und neben dir leben, bis du sagst: >Das ist genau der Arkadi Renko, den ich mir vorgestellt habe, und das ist auch der passende Anzug.<«
    »Du würdest nicht aufgeben?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    Arkadi schilderte, wie sich der Atem der Rentiere zu Kristallen verdichtete und als Schnee niederfiel. Er sprach von den Wanderungen der Lachse in Sachalin, den Weißkopfadlern der Aleuten und den Fontänen der Wale im

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