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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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wären, dachte er, wären sie schon früher gegangen. Irina erschien ihm wie ein Storch, der zwischen lauter Krähen umherwanderte.
    Zwei Amerikaner mit schwarzer Fliege und Lackschuhen unterhielten sich, wobei sie sich über ihre Teller beugten. »Mir gefiel diese Anspielung auf die Vereinigten Staaten nicht, und die Sotheby’s-Versteigerung der russischen Avantgarde war eine einzige große Enttäuschung.«
    »Nichts als unbedeutende Werke, und die meisten davon auch noch Fälschungen«, sagte der andere Amerikaner. »Ein Hauptwerk wie das hier könnte den Markt stabilisieren. Nun, wenn ich es nicht bekomme, habe ich wenigstens Berlin einmal wiedergesehen.«
    »Jack, das wollte ich dir noch sagen: Berlin hat sich verändert. Es ist ein gefährliches Pflaster geworden.«
    »Jetzt, wo die Mauer gefallen ist?«
    »Es ist voll von …« Er blickte auf, zog seinen Freund am Ärmel und flüsterte: »Ich denke daran, nach Wien zu gehen.«
    Arkadi drehte sich um. Wer mochte sie so erschreckt haben? Niemand stand hinter ihm.
    Eine Stunde später verrieten der angestiegene Lärmpegel und dicke Rauchschwaden, daß die Ausstellung ein voller Erfolg war. Arkadi zog sich zur abgedunkelten Bühne zurück und sah sich ein Video an, das Pferdekutschen aus dem Berlin der Vorkriegszeit und Fotos von russischen Emigranten zeigte. Er spielte mit dem Gerät und ließ das Band vor- und zurücklaufen. Die Gestalten auf dem Projektionsschirm mußten die ungewöhnlichsten und attraktivsten Flüchtlinge ihrer Zeit gewesen sein. Alle - Schriftsteller, Tänzer und Schauspieler - vermittelten den Eindruck exotischer Treibhauspflanzen.
    Er glaubte, ganz für sich zu sein, als Margarita Benz ihn fragte: »Irina war gut heute abend, finden Sie nicht?«
    »Ja«, sagte er.
    Die Galeristin stand neben ihm, ein Glas in der einen, eine Zigarette in der anderen Hand. »Sie hat eine wunderbare Stimme. Hat sie Sie überzeugt?«
    »Völlig«, sagte Arkadi.
    Sie lehnte sich gegen die Wand. »Ich wollte Sie mir mal näher anschauen.«
    »Hier im Dunkeln?«
    »Können Sie im Dunkeln nicht sehen? Was für ein schlechter Polizist müssen Sie gewesen sein.«
    Ihr Verhalten ihm gegenüber war von einer seltsamen Mischung, zugleich damenhaft und grob. Er dachte an die beiden widersprüchlichen Identifikationen, die Jaak ihren Fotos zugeschrieben hatte: Frau Boris Benz, die Deutsche, die im Sojus abstieg, und Rita, die Prostituierte, die vor fünf Jahren nach Israel ausgewandert war. Sie ließ die Zigarette in ihr Glas fallen, stellte es auf den Videorecorder und gab Arkadi eine Streichholzschachtel, um sich von ihm eine neue Zigarette anzünden zu lassen. Ihre Nägel waren hart wie Krallen. Als Arkadi sie zum erstenmal in Rudis Wagen gesehen hatte, hatte er sie mit einer Wikingerin verglichen. Jetzt dachte er: eine Salome.
    »Haben Sie es verkauft?« fragte er.
    »Max hätte Ihnen sagen sollen, daß ein Gemälde wie dieses sich nicht in einer Minute verkaufen läßt.«
    »Sondern?«
    »Es braucht Wochen.«
    »Wem gehört das Bild? Wer ist der Verkäufer?«
    Sie lachte, während sie den Rauch aus Mund und Nase ließ.
    »Was für ungehörige Fragen.«
    »Es ist das erste Mal, daß ich auf einer Ausstellung bin. Ich bin neugierig.«
    »Nur der Käufer braucht zu wissen, wer der Verkäufer ist.«
    »Wenn es ein Russe ist .«
    »Reden Sie keinen Quatsch. In Rußland weiß niemand, wem etwas >gehört<. Was Sie haben, ist Ihrs.«
    Arkadi nahm die Zurechtweisung ungerührt hin. »Was werden Sie dafür bekommen?«
    Sie lächelte, und er wußte, daß sie antworten würde. »Es gibt noch zwei andere Versionen des Roten Quadrats. Beide werden sie auf fünf Millionen Dollar geschätzt.« Sie ließ die Zahl genüßlich auf der Zunge zergehen. »Nennen Sie mich Rita. Meine Freunde nennen mich Rita.«
    Malewitsch erschien auf dem Schirm, in einem Selbstporträt mit hohem Kragen, schwarzem Anzug und beängstigend grünen Farbschattierungen.
    »Glauben Sie, daß er sich tatsächlich absetzen wollte?« fragte Arkadi.
    »Er hat die Nerven verloren.«
    »Das wissen Sie?«
    »Das weiß ich.«
    »Wie sind Sie rausgekommen?«
    »Ich hab mich durchgebumst, Schätzchen. Hab einen Juden geheiratet. Dann einen Deutschen. Man muß bereit sein, so was zu tun. Deswegen wollte ich mir ja auch Sie mal ansehen. Um zu sehen, wozu Sie bereit sind.«
    »Was glauben Sie?«
    »Es reicht nicht.«
    Interessant, dachte Arkadi. Vielleicht war sie ein besserer Menschenkenner als er. Er sagte: »Wenn ich

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