Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
Vom Netzwerk:
daß der Oberstaatsanwalt auch Mitglied des Volkskongresses ist«, sagte Albow. »Wir müssen jetzt an die Wahlen denken.«
    »Das ist nun wirklich eine differenzierte Meinung«, sagte Arkadi.
    »Die Hauptsache ist, daß ich immer zu seinen Bewunderern gehört habe. Wir stehen an einem Wendepunkt unserer Geschichte. Dies ist das Paris, das Petrograd der Revolution. Wenn intelligente Männer nicht zusammenarbeiten können, welche Hoffnung gibt es dann für unsere Zukunft?«
    Arkadi staunte selbst noch, als sie längst wieder gegangen waren. Vielleicht tauchte Rodionow ja das nächste Mal mit dem Redaktionsstab der Iswestija oder einem Cartoonisten des Krokodil auf.
    Und was würde aus den Kisten und Dioramen des Miliz-Museums werden? Würden sie hier wirklich ein Computerzentrum einrichten? Und was geschah dann mit all den blutigen Äxten, Messern und abgetragenen Mänteln der sowjetischen Kriminalgeschichte? Würden sie im Magazin eingelagert werden? Natürlich, die Bürokratie bewahrt alles auf. Warum? Weil wir es vielleicht wieder einmal brauchen, weißt du. Falls es keine Zukunft gibt, ist da immer noch die Vergangenheit.
     
    Jaak saß am Steuer und raste über die Kreuzungen wie ein Klaviervirtuose über die Tasten.
    »Trau weder Rodionow noch seinen Freunden«, sagte er zu Arkadi, während er einen anderen Wagen zur Seite drängte.
    »Du magst wohl niemanden aus dem Büro des Oberstaatsanwalts, was?«
    »Generalstaatsanwälte sind Scheißpolitiker. Sind sie immer schon gewesen. Ist nicht beleidigend gemeint.« Jaak warf ihm einen kurzen Blick zu. »Sie sind in der Partei, selbst wenn sie aus ihr ausgetreten und Volksdeputierte geworden sind. In ihrem Herzen bleiben sie Parteimitglieder. Du bist nicht aus der Partei ausgetreten, du bist ausgeschlossen worden, deswegen traue ich dir. Die meisten Leute des Oberstaatsanwalts verlassen ihr Büro niemals, sie kleben an ihrem Schreibtisch. Du gehst raus. Natürlich würdest du ohne mich nicht weit kommen.«
    »Danke.«
    Eine Hand am Steuer, gab Jaak Arkadi eine Liste mit Nummern und Namen. »Die Nummernschilder vom Schwarzmarkt. Der Laster, der Rudi am nächsten stand, ist auf das Lenin-Pfad-Kollektiv zugelassen. Er sollte Zuckerrüben transportieren, glaube ich, und keine Videorecorder. Dann vier Tschetschenen-Wagen. Der Mercedes ist auf den Namen Apollonia Gubenko eingetragen.«
    »Apollonia Gubenko.« Arkadi ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Klingt rund und voll.«
    »Borjas Frau«, sagte Jaak. »Natürlich hat Borja selbst einen Mercedes.«
    Sie überholten einen Lada, dessen Windschutzscheibe mit Pappe zugeklebt war. Windschutzscheiben waren schwer erhältlich. Der Fahrer steuerte den Wagen, indem er den Kopf aus dem Seitenfenster streckte.
    »Jaak, was macht ein Este in Moskau?« frage Arkadi. »Warum verteidigst du nicht dein geliebtes Tallinn vor der Roten Armee?«
    »Hör mit diesem Scheiß auf«, sagte Jaak. »Ich war in der Roten Armee. Ich bin seit fünfzehn Jahren nicht mehr in Tallinn gewesen. Ich weiß nur, daß die Esten besser leben und sich mehr beklagen als jeder andere in der Sowjetunion. Ich werde meinen Namen ändern.«
    »Nenn dich Apollo. Aber deinen Akzent wirst du trotzdem nicht los, diese hübschen baltischen Schnalzlaute.«
    »Zum Teufel mit meinem Akzent. Ich hasse dieses Thema.«
    Jaak versuchte, sich zu beruhigen. »Aber was ich dir noch berichten wollte - wir haben einen Anruf von dem Trainer des Komsomol Roter Stern bekommen, der behauptet, daß Rudi den Klub so tatkräftig unterstützt hat und die Boxer ihm einen ihrer Pokale geschenkt haben. Der Trainer meint, er müsse sich unter Rudis persönlichen Effekten befinden. Ein Schwachkopf, aber beharrlich.«
    Als sie sich dem Kalinin-Prospekt näherten, versuchte ein Bus, vor Jaak einzuscheren. Es war ein italienischer Reisebus mit hohen Fenstern, barocken Chromverzierungen und zwei Reihen stumpfer Gesichter - eine mediterrane Trireme, dachte Arkadi. Der Schiguli beschleunigte und stieß dabei eine schwarze Rauchwolke aus. Kurz vor dem Bus bremste Jaak dann leicht ab, um ihm den Schwung zu nehmen, und gab gleich anschließend wieder Gas, wobei er triumphierend lachte. »Der Homo sovieticus gewinnt mal wieder!«
    An der Tankstelle stellten sich Arkadi und Jaak an zwei verschiedenen Schlangen an, um Piroggen und Mineralwasser zu kaufen. Wie eine Laborantin mit weißem Kittel und kleinem Hut bekleidet, wedelte die Verkäuferin Fliegen von ihrer Ware. Arkadi erinnerte sich an

Weitere Kostenlose Bücher