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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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einzige im Land, der wirklich was von Ökonomie verstand.«
    »Wer hat ihn getötet?«
    Ohne zu zögern, sagte Borja: »Die Tschetschenen. Mahmud ist ein Bandit, der keine Ahnung von westlichem Stil oder von Geschäften hat. Tatsache ist, daß er auch alle anderen daran hindert voranzukommen. Je mehr Angst, desto besser - ganz egal, ob der Markt dadurch zum Erliegen kommt. Je unsicherer die anderen werden, desto stärker die Tschetschenen.«
    Auf dem Rang über ihnen schlugen die Japaner eine Ballserie gemeinsam ab, gefolgt von aufgeregten »Banzai«-Rufen.
    Borja lächelte und wies mit seinem Schläger nach oben.
    »Die fliegen von Tokio zu einem Golf-Wochenende nach Hawaii. Ich muß sie abends hier rauswerfen.«
    »Wenn die Tschetschenen Rudi getötet haben«, sagte Arkadi, »mußten sie an Kim vorbei. Trotz seines Rufes - Muskelprotz, ausgebildet im Kampfsport - scheint er also nicht viel Schutz geboten zu haben. Hat Ihr bester Freund Rudi, als er auf Leibwächtersuche ging, nicht auch Ihren Rat eingeholt?«
    »Rudi hat meist einen Haufen Geld mit sich herumgetragen und war auf seine Sicherheit bedacht.«
    »Und Kim?«
    »Die Fabriken in Ljubertsi machen dicht. Das Problem mit dem freien Markt ist, daß wir Mist produzieren, wie Rudi immer gesagt hat. Als ich Rudi Kim empfohlen habe, hab ich gedacht, daß ich damit beiden einen Gefallen täte.«
    »Wenn Sie Kim vor uns finden, was werden Sie tun?«
    Borja deutete mit dem Golfschläger auf Arkadi und senkte die Stimme. »Ich werde Sie verständigen. Bestimmt. Rudi war mein bester Freund, und ich glaube, daß Kim den Tschetschenen geholfen hat. Aber glauben Sie, ich würde alles aufs Spiel setzen, alles, was ich erreicht habe, nur um mich auf primitive Art und Weise zu rächen? Das ist die alte Gesinnung. Wir müssen mit dem Rest der Welt gleichziehen, oder wir geraten ins Hintertreffen. Dann sitzen wir alle in leeren Häusern und verhungern. Wir müssen uns ändern. Haben Sie eine Karte?« fragte er plötzlich.
    »Die Mitgliedskarte der Partei?«
    »Wir sammeln Visitenkarten, mit denen wir einmal im Monat eine Ziehung veranstalten, und der Gewinner bekommt eine Flasche Chivas Regal.« Borja unterdrückte nur mühsam ein Lächeln.
    Arkadi kam sich wie ein Idiot vor. Nicht wie ein gewöhnlicher Idiot, sondern wie ein altmodischer Hinterwäldler.
    Borja stellte seinen Schläger ab und führte Arkadi stolz zum Büffet. In Sesseln, die ebenfalls in den Marlboro-Farben gepolstert waren, saßen weitere Japaner mit Baseballmützen und Amerikaner mit Golfschuhen. Arkadi vermutete, daß Borja absichtlich ein Dekor gewählt hatte, wie man es in den Warteräumen von Flughäfen findet - der natürlichen Umgebung internationaler Geschäftsreisender. Sie hätten in Frankfurt, Singapur oder auch SaudiArabien sitzen können - überall -, und genau aus diesem Grund fühlten sich die Leute hier wohl. Im Fernseher über der Bar liefen die Nachrichten von CNN. Das gut sortierte Büffet bot reiche Auswahl an geräuchertem Stör und Forelle, rotem und schwarzem Kaviar, deutschen Pralinen und georgischem Gebäck vor einer Batterie von Flaschen mit süßem Sekt, Pepsi, Pfefferwodka, Limonenwodka und armenischem Fünf-Sterne-Cognac. Arkadi fühlte sich wie benommen von den Gerüchen, die aus der Küche drangen.
    »Wir veranstalten auch Karaoke-Abende, Turniere und Betriebsfeiern«, sagte Borja. »Keine Nutten, keine Strichjungen. Alles ganz sauber.«
    Wie Borja? Der Mann war nicht nur vom Fußball zur Mafia gewechselt, sondern hatte auch den zweiten, entscheidenden Schritt zum Unternehmer gewagt. Der westliche, gut sitzende Pullover, der offene Blick seiner Augen, das Gebärdenspiel der sauberen Hände - das alles verriet den erfolgreichen Geschäftsmann.
    Borja gab einer uniformierten Kellnerin einen diskreten Wink, und sie eilte sofort vom Büffet herüber und stellte einen Teller mit silbern glänzenden Matjes vor Arkadi auf den Tisch. Die Fische schienen vor seinen Augen zu schwimmen.
    »Erinnern Sie sich noch an sauberen, unvergifteten Fisch?« fragte Borja.
    »Nicht mehr genau, danke.« Arkadi angelte verzweifelt die letzte Zigarette aus seiner Packung. »Woher haben Sie den?«
    »Wie jeder andere tausche ich das, was ich habe, gegen das, was ich nicht habe.«
    »Auf dem schwarzen Markt?«
    Borja schüttelte den Kopf. »Direkt. Rudi hat immer gesagt, es gäbe kein Bauern- oder Fischerkollektiv, das nicht bereit wäre, Geschäfte zu tätigen, wenn man ihnen mehr als Rubel

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