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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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ich auf dem Kai gesagt habe. Ich bin schrecklich empfindlich gegenüber allem, was mit Gerichtsmedizin und Pathologie zu tun hat. Sie haben einfach bessere Nerven als ich.«
    Hinter Polina beugte sich eine Frau mit einem grauen Schal, grauen Augenbrauen und grauen Haaren auf der Oberlippe vor und fuhr ihn an: »Versuchen Sie etwa, sich vorzudrängen?«
    »Nein.«
    »Man sollte Leute, die sich vordrängen, erschießen«, sagte die Frau.
    »Behalten Sie ihn im Auge«, sagte der Mann hinter ihr. Er war klein, Typ Bürokrat, mit einer imposanten Aktentasche, die viele Rüben aufnehmen konnte. In der hinter ihm stehenden Schlange sah Arkadi nur Gesichter, die ihn mit unterdrücktem Haß anstarrten. Sie rückten einen Schritt vor.
    »Wie lange stehen Sie schon an?« fragte er Polina.
    »Eine Stunde. Ich bringe Ihnen Rüben mit«, sagte sie und warf dem hinter ihr stehenden Paar einen wütenden Blick zu.
    »Zum Teufel mit denen.«
    »Was ist mit dem Blut?«
    Polina zuckte mit den Achseln, sie hatte gesagt, was zu sagen war. »Beschreiben Sie die Explosion, als Rudi starb«, sagte sie. »Was genau haben Sie gesehen?«
    »Zwei aufflammende Blitze«, sagte Arkadi. »Der erste völlig überraschend. Leuchtend hell, weiß.«
    »Das war die Natrium-Kupfersulfat-Mischung. Der zweite Blitz?«
    »Der zweite war auch hell.«
    »Genauso hell?«
    »Weniger.« Er hatte bereits mehrmals versucht, sich die Szene neu zu vergegenwärtigen. »Wir hatten keine gute Sicht, aber vielleicht mehr orange als weiß. Dann haben wir das verbrannte Geld mit dem Rauch aufsteigen sehen.«
    »Also zwei Detonationen, aber nur eine heiß genug, um eine Spur im Wagen zu hinterlassen. Haben Sie nach der zweiten Explosion irgend etwas Bestimmtes gerochen?«
    »Benzin.«
    »Der Benzintank?«
    »Der ist später in die Luft geflogen.« Arkadi sah, daß es am Kiosk zu einer Schlägerei gekommen war. Ein Kunde behauptete, daß er nur vier Packungen für den Monat erhalten habe, nicht fünf. Zwei Soldaten trugen ihn, einen Arm um seinen Nacken und den anderen unter seinen Beinen, wie einen Koffer davon und warfen ihn in einen Lieferwagen. »Gari hat uns gesagt, daß Kim eine Bombe in den Wagen geworfen hat. Es hätte allerdings auch ein einfacher Molotow-Cocktail mit Benzin sein können.«
    »Es war was Besseres«, sagte Polina.
    »Was ist besser?«
    »Benzin-Gel. Benzin-Gel haftet und brennt und brennt. Deswegen war soviel Blut da.«
    Arkadi verstand immer noch nicht. »Aber Sie haben doch gesagt, daß durch Verbrennen kein Blut entstehen kann.«
    »Ich habe mir Rosen noch einmal angesehen. Er hatte einfach nicht genügend Schnittverletzungen, um all das Blut in und vor dem Wagen zu produzieren. Ich weiß, das Labor hat gesagt, es sei seine Blutgruppe gewesen, aber ich hab’s selbst noch mal überprüft. Es war nicht seine Gruppe. Es war nicht einmal menschliches Blut. Es war Rinderblut.«
    »Rinderblut?«
    »Seihen Sie Blut durch ein Tuch, und vermischen Sie das Serum mit Benzin und etwas Kaffee oder Backpulver. Rühren Sie, bis es geliert.«
    »Eine Bombe aus Benzin und Blutserum?«
    »Eine Guerillatechnik. Ich wäre schneller draufgekommen, wenn die Laborberichte korrekt gewesen wären«, sagte Polina. »Sie können Benzin mit Seife, Eiern oder Blut andicken.«
    »Das muß der Grund dafür sein, weswegen es so wenig davon gibt«, sagte Arkadi.
    Das hinter Polina stehende Paar hatte aufmerksam zugehört. »Nehmen Sie keine Eier«, sagte die Frau. »Eier haben Salmonellen.«
    Der Bürokrat widersprach. »Das ist ein haltloses Gerücht, von Leuten in die Welt gesetzt, die die Eier für sich allein haben wollen.«
    Die Schlange schob sich einen weiteren Schritt vor. Arkadi stampfte mit den Füßen auf den Boden. Polina trug offene Sandalen, aber was ihre Reaktion auf Regen, Blut und den Wahnsinn des Wartens betraf, so hätte sie auch eine Marmorbüste sein können. Ihre Aufmerksamkeit wurde jetzt völlig vom näherrückenden Verkaufsstand in Anspruch genommen. Der Regen fiel dichter. Tropfen rannen ihr über die Stirn und umgaben die pagodenhafte Kurve ihres Haaransatzes mit einem feinen Netz.
    »Geht es nach Gewicht oder nach Anzahl?« fragte sie ihre Nachbarin.
    »Ach, meine Liebe«, sagte die alte Frau. »Das hängt völlig davon ab, ob sie die Waage falsch eingestellt oder kleine Rüben haben.«
    »Gibt es auch Suppengrün?«
    »Für Suppengrün müssen Sie sich extra anstellen«, sagte die Frau.
    »Sie haben gute Arbeit geleistet«, sagte Arkadi. »Tut mir

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