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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Der Schuh war heiß.
    Der ganze Hof glühte im Widerschein des Feuers. Die Traktoren waren alt, die Eggenscheiben verrostet, nur die beiden Lastwagen waren neu, einer das gleiche Modell wie der, an dem Jaak sein Radio gekauft hatte. Vor dem Schuppen lagen Mähbinder, Ballengreifer und Pflüge, grün überwuchert, die Blüten zur Nacht geschlossen. Nichts regte sich in den Pferchen, kein Schweinegrunzen, kein nervöses Ziegenmeckern war zu hören.
    Die Garage stand offen. Die Schalter neben der Tür funktionierten nicht, aber im Licht des Feuers konnte Arkadi einen weißen, viertürigen Moskwitsch mit Moskauer Nummer erkennen, der zwischen Ölkanistern und aufgestapelten Reifen stand. Die Türen des Wagens waren verschlossen.
    Die Scheune war aus Beton, mit leeren Ställen an einer Seite. Die andere Seite war ein Schlachthaus. An der Wand hing ein Mantel. Arkadi brauchte eine Weile, ehe er sah, daß es eine an einem Haken hängende Kuh war. Die Kuh hing mit dem Kopf nach unten und war über und über mit Fliegen bedeckt. Unter ihr stand ein Eimer, der mit einem schwarzverkrusteten Musselintuch bedeckt war. Daneben lag eine Holzschaufel, wie sie zum Umrühren von Talg verwendet wurde. Der Fußboden war ebenfalls aus Beton und wies Blutrillen auf, die zu einem Abfluß in der Mitte führten. Rechts standen Hackblöcke, Fleischwölfe und vor einem Herd Talgtöpfe, so groß wie Kesselpauken. Auf den Blöcken standen Fläschchen mit der Aufschrift »Schwarzbär-Galle - Beste Qualität« und einem Etikett mit chinesischen Schriftzügen an der anderen Seite. Andere Fläschchen trugen die Aufschrift »Hirschmoschus« und »Zerstoßenes Horn«, wobei letztere den Anspruch erhoben, aus Sumatra zu kommen und die Verjüngungskräfte des Rhinozeroshorns zu besitzen.
    Die Doppeltür des Schuppens stand halb offen, an der Stelle eingedellt, an der ein Brecheisen das Schloß geöffnet hatte. Arkadi stieß sie ganz auf, um das Licht des Feuers ins Innere fallen zu lassen. Ausgepackte Videorecorder, CD-Geräte, Personal Computer, Disketten und Videospiele stapelten sich bis zur Decke. Auf Regalen an der Wand lagen Trainingsanzüge und Safari-Ausrüstungen, ein japanisches Kopiergerät stand auf italienischen Marmorplatten - alles in allem ein Szenarium wie in einem Zolldepot, sah man einmal davon ab, daß sich das alles auf einem Kartoffelacker befand. Das Lenin-Pfad-Kollektiv arbeitete offensichtlich schon seit Jahren nicht mehr als landwirtschaftlicher Betrieb. Auf dem Boden lag ein Gebetsteppich, auf einem Spieltisch fanden sich Dominosteine und eine Zeitung. Die Schlagzeile der Zeitung war in arabischer Schrift, aber das Impressum war zur Hälfte russisch und wies das Blatt als Grosni Prawda aus.
    Arkadi ging nach draußen und trat ans Feuer. Es brannte ungleichmäßig, flackerte durch Holzspäne und kroch durch feuchtes Heu. Als Abwischtücher für Farben benutzte Lumpen verbreiteten ihre eigene Farbaura. Arkadi zog den Schaft einer Hacke aus dem Feuer, stocherte damit in den Flammen und fand nichts als angekohlte Firmennamen: Nike fiel über Sony zusammen und Sony über Luvs.
    Er trat einen Schritt zurück und bemerkte im Widerschein des Feuers einen schmalen Fußweg, der zwischen Schlachthaus und Schuppen zu einer Wiese aus hohem Wildgras führte, hinter der zwei Böschungen aufragten, niedrige Erdwälle, die keinem ersichtlichen Zweck dienten. Am Ende des einen Walls führten betonierte Stufen zu einer Stahlluke, die mit einem Riegel und einem schweren Vorhängeschloß verschlossen war.
    Der zweite Erdwall wies eine ähnliche Luke auf, aber ohne Riegel. Arkadi öffnete sie und trat ein. Er bückte sich, als er sah, wie eng der Raum war. Sein Feuerzeug war hell genug, um ihm zu zeigen, daß er sich in einem ausgedienten Armeebunker befand. Derartige Kommandobunker - mit Stahlstützen verstärkte Betonhöhlen wie diese - waren überall rund um Moskau errichtet und dann eingemottet worden, als der nukleare Holocaust ausblieb. Komplizierte Lüftungs- und Strahlenschutzeinrichtungen umgaben die Luke. Auf einem langen Kartentisch standen Dutzende von Telefonen, zwei von ihnen erkannte er aus seiner eigenen Dienstzeit als Funktelefone wieder, lang vergessene Artefakte. Es gab sogar ein hochempfindliches Iskraystem mit intaktem Telefon und Modem. Er hob den Hörer ab. Er vernahm zwar nur atmosphärische Störungen, war aber überrascht, daß die Leitung nicht völlig tot war.
    Er kehrte zum Hof zurück. Das Wasser stand zu tief, als

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