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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Kenntnisse der lateinischen Schrift waren nur ungenügend. Außerdem legte er Wert auf einen flüssigen Stil, so daß nur Russisch in Frage kam.
    Er schrieb:
    »Lieber Herr Schiller, mit diesem Schreiben erlauben wir uns, Ihnen Chefinspektor A. K. Renko vorzustellen, einen Mitarbeiter des Moskauer Oberstaatsanwalts. Renko ist beauftragt, Fragen in bezug auf ein geplantes Jointventure zwischen bestimmten sowjetischen Körperschaften und der deutschen Firma TransKom Services, insbesondere die Angaben ihres Bevollmächtigten, Herrn Boris Benz, zu klären. Da die Aktivitäten von TransKom und Benz geeignet sind, sowohl die sowjetische Regierung als auch die Bayern-Franken Bank in einem zweifelhaften Licht erscheinen zu lassen, liegt es, wie wir glauben, in unserem gemeinsamen Interesse, die Angelegenheit so schnell und diskret wie möglich einer Lösung zuzuführen.
    Mit den besten Wünschen und vorzüglicher Hochachtung, Ihr ergebener G. I. Federow.«
    Der Schluß erschien Arkadi besonders federowisch. Er zog den Bogen aus der Maschine und unterzeichnete ihn schwungvoll.
    »Sie funktioniert also?« rief der Ladenbesitzer.
    »Erstaunlich, nicht?« sagte Arkadi.
    »Ich kann Ihnen einen guten Preis machen. Einen ausgezeichneten Preis.«
    Arkadi schüttelte den Kopf. Die traurige Wahrheit war, daß er es sich nicht leisten konnte, überhaupt etwas zu kaufen.
    »Haben Sie viele Abnehmer für russische Schreibmaschinen?«
    Der Besitzer mußte lachen.
     
    Das Licht bei Benz war immer noch aus. Um neun Uhr abends endlich gab Arkadi auf. Mit etwas Planung führte ein gutes Stück seines Rückwegs durch Parks: Englischer Garten, Finanzgarten, Hofgarten und ein Stück weiter dann der alte Botanische Garten. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, um in die Dunkelheit zu lauschen. Ein junger Mann kam vorbei, die Nase in einem Buch, auf das Licht der nächsten Laterne zueilend. Dann ein Jogger in langsamem, bedächtigem Lauf. Er hörte keine Fußschritte, die abrupt stehenblieben. Es war, als wäre er bei Verlassen Moskaus über den Rand der Welt getreten. Er war verschwunden. Er stürzte ins Bodenlose. Wer sollte ihm folgen?
    Er verließ den alten Botanischen Garten, einen Block vom Bahnhof entfernt, und ging hinüber, um sich zu vergewissern, daß das Videoband noch im Schließfach war, als er sah, wie Fußgänger vor einem scharf wendenden Wagen auseinanderstoben. Die allgemeine Empörung äußerte sich so vehement, daß Arkadi den Wagen selbst nicht beachtete. Er blieb auf der Verkehrsinsel in der Mitte der Straße stehen. Keine gute Überlebensplanung, dachte er, sich auf einer breiten Straße, umbrandet von Verkehr, aufzuhalten. Hinter ihm quietschten Bremsen, und er drehte sich um und stand vor dem vertrauten, ramponierten Mercedes. Am Steuer saß Stas.
    »Ich dachte, Sie wollten Irina sehen.«
    Arkadi sagte: »Ich habe sie gesehen.«
    »Sie waren weg, bevor sie mit ihrem Interview fertig war. Von einem Augenblick zum anderen waren Sie verschwunden.«
    »Ich hatte genug gehört«, sagte Arkadi.
    Stas ignorierte das Halteverbotsschild und gab den Fahrern der Wagenschlange, die sich hinter ihm bildete, zu verstehen, daß er nicht gewillt war, seinen Platz zu räumen. »Ich habe Sie gesucht, weil ich dachte, daß Sie vielleicht Probleme hätten.«
    »Zu dieser Stunde?« fragte Arkadi.
    »Ich hatte noch zu arbeiten und konnte nicht früher kommen. Hätten Sie Lust, mit auf eine Party zu gehen?«
    »Jetzt?«
    »Wann sonst?«
    »Es ist fast zehn Uhr. Was soll ich auf einer Party?«
    Die Fahrer hinter ihnen schimpften, hupten und blendeten ihre Scheinwerfer auf, ohne Stas im mindesten zu beeindrucken. »Irina ist auch da«, sagte er. »Sie haben noch nicht mit ihr gesprochen.«
    »Aber ich habe verstanden, was sie mir sagen wollte. Sie hat es ja bereits mehr als einmal zum Ausdruck gebracht.«
    »Sie glauben also, daß sie Sie nicht sehen will?«
    »So ungefähr.«
    »Für einen Mann aus Moskau sind Sie ziemlich empfindlich. Hören Sie, nicht mehr lange, und wir werden hier von wütenden Porsche-Fahrern in der Luft zerrissen. Steigen Sie ein. Wir schauen nur mal kurz rein.«
    »Um noch einmal gedemütigt zu werden?«
    »Haben Sie was Besseres vor?«
     
    Die Party fand in einer Wohnung im vierten Stockwerk statt, die voll war von »Retro-Nazis«, wie Stas sie nannte. An den Wänden hingen schwarzweißrote Fahnen, auf Regalen waren Stahlhelme und Eiserne Kreuze ausgestellt, Gasmasken mit und ohne Behälter, Munition in verschiedenen

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