Das Labyrinth
»Verstanden«, sagte er.
Irina drückte ihre Zigarette aus. Trank Wasser, die langen Finger fest um das silbrig schimmernde Glas geschlossen. Rote Lippen, weiße Zähne. Die Zigarette hell wie ein zerbrochener Knochen.
Das Interview begann wieder mit Pawlow.
Mit schamrotem Gesicht versank Arkadi so tief im Schatten, wie es nur möglich war. Wenn Schatten Wasser wäre - wie gern wäre er darin ertrunken.
Das Telefon in der Zelle läutete genau um fünf.
»Federow am Apparat«, sagte Arkadi.
»Hier ist Schiller von der Bayern-Franken Bank. Wir haben heute morgen miteinander gesprochen. Sie hatten einige Fragen wegen einer Firma namens TransKom Services.«
»Danke, daß Sie zurückrufen.«
»Es gibt keine TransKom in München. Keine der hiesigen Banken kennt sie. Ich habe auch mit mehreren staatlichen Stellen gesprochen, eine TransKom ist nirgends bekannt.«
»Sie waren sehr gründlich«, sagte Arkadi. »Ich denke, ich habe Ihnen da die Arbeit abgenommen.«
»Was ist mit Boris Benz?«
»Herr Federow, wir leben hier in einem freien Land. Es ist schwierig, über eine Privatperson Erkundigungen einzuziehen.«
»Ist er bei der Bayern-Franken angestellt?«
»Nein.«
»Hat er bei Ihnen ein Konto?«
»Nein. Aber selbst, wenn er es hätte, würden wir es vertraulich behandeln.«
»Ist er womöglich vorbestraft?« fragte Arkadi.
»Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß.«
»Jemand, der mit einer falschen Bankverbindung operiert, hat das wahrscheinlich auch früher schon getan. Er könnte ein Berufsverbrecher sein.«
»Natürlich gibt es auch in Deutschland Berufsverbrecher, allerdings habe ich keine Ahnung, ob dieser Herr Benz einer ist. Sie haben mir schließlich selbst gesagt, Sie hätten ihn womöglich mißverstanden.«
»Aber jetzt ist der Name der Bayern-Franken Bank in den Konsulatsakten«, sagte Arkadi.
»Entfernen Sie ihn.«
»Das ist nicht so einfach. Bei Verträgen in so großer Höhe werden Nachforschungen angestellt.«
»Das ist wohl Ihr Problem.«
»Soweit das aus meinen Unterlagen hervorgeht, hat Benz Dokumente der Bayern-Franken vorgelegt, die auf eine finanzielle Beteiligung der Bank hinweisen. Er hat die Papiere zwar wieder an sich genommen, aber Moskau wird wissen wollen, warum sich die Bank jetzt zurückzieht.«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung sprach so bestimmt wie möglich. »Es gibt keine finanzielle Beteiligung.«
»Moskau wird sich fragen, warum die Bayern-Franken Bank nicht mehr an Benz interessiert ist. Wenn die Bank zu Unrecht von einem Kriminellen in die Sache hineingezogen wird, warum ist sie nicht bereit, das ihre zu tun, um ihn zu finden?« fragte Arkadi.
»Wir haben das unsere getan.« Schiller klang überzeugend. Wenn es nicht diesen Brief von ihm an Benz gegeben hätte .
»Dann hätten Sie also nichts dagegen, wenn wir einen Mann zu Ihnen schickten, der sich noch einmal persönlich mit Ihnen abstimmt?«
»Schicken Sie ihn. Bitte. Damit die Angelegenheit endlich erledigt ist.«
»Der Mann heißt Renko.«
Die dritte Etage des sowjetischen Konsulats war voll von Frauen in so farbenfroh bestickten Blusen und leuchtend gestreiften Röcken, daß sie wie Ostereier aussahen, die in buntem Durcheinander auf den Flur gerollt waren. Da jede von ihnen einen Rosenstrauß in der Hand hielt, war es nur unter Einsatz von Ellenbogen und vielzähligen Entschuldigungen möglich, sich an ihnen vorbeizudrängen.
Federows Schreibtisch stand zwischen Wassereimern. Er blickte von einem Stapel Visa auf und ließ ein Knurren hören, das zu verstehen gab, daß er sein Pensum an Diplomatie für heute erfüllt hatte. »Was zum Teufel wollen Sie denn hier?«
»Hübsch«, sagte Arkadi. Das Büro war winzig und fensterlos, das Mobiliar modern und ziemlich klein. Wahrscheinlich mußte sein Besitzer jedesmal, wenn er zur Arbeit ging, das unheimliche Gefühl bekämpfen, gewachsen zu sein. Und im Feuchten zu sitzen. Ein nasser Fleck auf dem Teppich zeigte an, wo ein Eimer umgestoßen worden war. Arkadi bemerkte die feuchten Hosen und Ärmel Federows, rosige Blütenblätter und eine Krawatte, die völlig verrutscht war. »Wie in einem Blumenladen.«
»Wenn wir mit Ihnen sprechen wollen, werden wir zu Ihnen kommen. Sie haben hier nichts zu suchen.«
Außer den Pässen lagen Briefbogen des Konsulats neben einer neuen Schreibgarnitur und einem funkelnagelneuen Telefonapparat auf der Schreibtischplatte.
»Ich möchte meinen Paß haben«, sagte Arkadi.
»Renko, Sie vergeuden Ihre Zeit.
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