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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Erstens hat Platonow Ihren Paß und nicht ich. Zweitens wird der Vizekonsul ihn einbehalten, bis Sie zurück ins Flugzeug nach Moskau steigen, was, wenn alles gutgeht, morgen der Fall sein wird.«
    »Vielleicht kann ich mich nützlich machen. Mir scheint, daß Sie alle Hände voll zu tun haben.« Arkadi wies mit dem Kopf in Richtung Flur.
    »Die Volkstanzgruppe aus Minsk? Wir haben um zehn gebeten, und man hat uns dreißig geschickt. Sie werden zusammengepackt wie Blinis schlafen müssen. Ich versuche zu helfen, aber wenn sie darauf bestehen, das Dreifache an Visa zu brauchen, dann werden sie das hier schon ertragen müssen.«
    »Dafür ist das Konsulat schließlich da«, sagte Arkadi. »Vielleicht kann ich helfen.«
    Federow atmete tief ein. »Nein, und Sie wären wirklich der Letzte, den ich mir als Assistenten aussuchen würde.«
    »Vielleicht könnten wir uns morgen treffen, zusammen zu Mittag essen oder einen Kaffee trinken?«
    »Ich bin den ganzen Tag beschäftigt: am Morgen eine Delegation ukrainischer Katholiken, dann ein Mittagessen mit der Volkstanzgruppe, nachmittags ein Treffen mit den Katholiken in der Frauenkirche und abends eine BertoltBrecht-Aufführung. Voller Tag. Außerdem werden Sie dann schon wieder auf dem Nachhauseweg sein. Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht, ich bin wirklich in Eile, und wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen - kommen Sie nicht wieder her.«
    »Könnte ich wenigstens einmal das Telefon benutzen?«
    »Nein.«
    Arkadi streckte die Hand aus. »Die Leitung nach Moskau ist dauernd besetzt. Vielleicht komme ich von hier aus durch.«
    »Nein.«
    Arkadi nahm den Hörer ab. »Ich mach’s ganz kurz.«
    »Nein.«
    Als Federow den Hörer packte, ließ Arkadi ihn plötzlich los. Der Attache rutschte aus und stolperte über einen Wassereimer. Arkadi versuchte, ihn über den Schreibtisch hinweg aufzufangen, und fegte dabei sämtlich Pässe von der Tischplatte.
    Die roten Büchlein landeten auf dem Teppich, in Pfützen und Eimern.
    »Sie Idiot!« Federow stelzte um die Eimer herum, um die Pässe zu retten, bevor sie völlig durchweichten. Arkadi benutzte die Briefbogen, um das Wasser aus dem Teppich zu saugen.
    »Das ist zwecklos«, sagte Federow. »Ich versuche nur zu helfen.«
    Federow tupfte die Pässe an seinem Hemd ab. »Helfen Sie mir nicht. Verschwinden Sie.« Doch dann schoß ihm fast hörbar ein Gedanke durch den Kopf wie eine quietschende Bremse. »Warten Sie!« Die Augen auf Arkadi geheftet, stapelte er die Pässe vor sich auf. Schwer atmend, zählte er sie sorgfältig durch, nicht einmal, sondern zweimal, und vergewisserte sich, daß das, was sie enthielten, zwar feucht, aber vollständig war. »Okay. Sie können gehen.«
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Arkadi.
    »Verschwinden Sie.«
    »Soll ich den Leuten im zweiten Stock Bescheid sagen wegen des Wassers?«
    »Nein. Sprechen Sie mit niemandem.«
    Arkadi betrachtete die umgekippten Eimer und die Überschwemmung auf dem Teppich. »Ein Jammer. So ein neues Büro.«
    »Ja. Auf Wiedersehen, Renko.«
    Die Tür öffnete sich, und eine Frau mit einem perlenbesetzten Filzhut lugte ins Zimmer. »Lieber Gennadi Iwanowitsch, was machen Sie denn da? Wann essen wir endlich?«
    »Sofort«, sagte Federow.
    »Wir haben seit Minsk nichts mehr gegessen«, sagte sie.
    Sie stellte sich standhaft neben der Tür auf, und andere Volkstänzerinnen folgten ihr. Eine nach der anderen schoben sie sich in den Raum, während Arkadi ihn in entgegengesetzter Richtung verließ, sich zwischen Röcken, Bändern und spitzen Dornen hindurchzwängend.
     
    In einem polnischen Secondhandshop südlich des Bahnhofs fand Arkadi eine mechanische Schreibmaschine mit runden Tasten, einem schäbigen Plastiküberzug und kyrillischen Buchstaben. Er drehte sie um. Auf dem Boden war eine Militärnummer eingestanzt.
    »Rote Armee«, sagte der Ladenbesitzer. »Sie verlassen Ostdeutschland, und was die Kerle nicht für sich selbst abzweigen, verkaufen sie. Sie würden ihre Panzer verkaufen, wenn sie könnten.«
    »Kann ich sie mal ausprobieren?«
    »Nur zu.« Der Ladenbesitzer hatte sich bereits einem besser gekleideten, verheißungsvolleren Kunden zugewandt.
    Aus seiner Jacke zog Arkadi ein Bündel zusammengefalteter Briefbögen und spannte ein Blatt in die Maschine ein. Die Bögen mit dem Briefkopf des Sowjetischen Konsulats samt Hammer und Sichel in goldenen Ähren stammten von Federows Schreibtisch. Arkadi hatte daran gedacht, den Brief auf deutsch zu schreiben, aber seine

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