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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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kommen können. Jetzt müssen Sie einfach Ihre Arbeit erledigen, nicht wahr?«
    Ich musste meine Arbeit erledigen. Das Publikum bittet den Clown um einen Witz, und er gehorcht. Weil er ein Clown ist. So war das schon immer, und so wird es auch immer sein. Aber hier?
    Ein SS -Mann ging jetzt dazwischen. »Los!« Gila van Praag nahm meine Hand. »Danke, Meneer Hoffmann. Bis später. Ich bin jetzt vollkommen beruhigt. Ehrlich gesagt, kann ich tatsächlich eine Dusche gebrauchen.«
    Verwirrt und benommen schüttelte ich weitere Hände. Als Letzter stand Mischa Klein vor mir. Er nahm meine Hand und schüttelte sie fest. »Ich danke Ihnen«, sagte er förmlich und beugte sich zu meinem Ohr. »Ich nehme Ihnen nichts übel, vergessen Sie das nicht.« Als er den Bunker betrat, weigerte er sich, ein Stück Seife zu nehmen.
    Die Tür wurde erneut versiegelt. Ich saß auf der Bank und starrte mit glasigen Augen vor mich hin. Ich war müde, unglaublich müde.
    »Du hast Witze gemacht?«, sagte der betrunkene SS -Mann. »Ich kann dafür sorgen, dass sie noch mehr Spaß haben.«
    Er machte das Licht aus.
    Angst und Entsetzen breiteten sich in der Gaskammer aus. Der Widerling lachte. Dann schaltete er das Licht wieder an. Hörbare Erleichterung.
    Und wieder aus.
    Und wieder an.
    Dabei sah er mich die ganze Zeit selbstgefällig an und hörte nicht auf, provozierend zu lachen – und zwar so sehr, dass er nach Luft ringen musste. Ich wurde blind vor Wut und Ohnmacht. Aus den Schreien hinter der Tür schloss ich, dass das Gas gestreut worden war. Das Guckloch blieb dunkel.
    Und wieder trat der Flame neben mich. »Die Leute kannten Sie, nicht wahr?«, sagte er. Ich schaute ihn an. Er schien taub für den panischen Lärm zu sein.
    Ich nickte.
    »Woher kamen sie?«
    »Keine Ahnung, vermutlich aus Amsterdam.«
    »Ach, stellen Sie sich einfach vor, der Wind steht günstig, dann sind sie im Nu wieder zu Hause.« Er grinste.
    Ich ging auf ihn los, zielte mit der Faust mitten in sein Gesicht. Er stürzte. Ich ging ebenfalls zu Boden und prügelte weiter auf ihn ein, bis meine Faust rot war vom vielen Blut. Schlug seinen Kopf auf den Betonboden und hörte nicht mehr damit auf. Drei, vier andere zogen mich gewaltsam von ihm weg. Ich riss mich los und brüllte wie ein Tier – so wild und aggressiv, dass selbst die Unmenschen vor mir zurückwichen.
    »Hier ist der Komiker!«
    Der Hauptscharführer stand oben an der Treppe zum Dachgeschoss und lachte spöttisch. An dem langen Tisch waren etwa vierzig Leute des Sonderkommandos für den SS -Offizier aufgestanden, einige hatten ihre Mütze in der Hand. Die Kerzen brannten. Niemand sagte ein Wort.
    Der Flame war tot. Schädelbruch. Wie ein Ballon, aus dem alle Luft entwichen war, hatte ich auf der Bank gesessen. Der Hauptscharführer kam, und einer der SS -Leute übernahm die Verantwortung. Warum, wusste ich nicht. Es war mir auch egal. Die offizielle Version lautete, der Flame sei ausgeflippt und habe die Tür zum Bunker öffnen wollen. Er sei es ebenfalls gewesen, der so gebrüllt habe. Der Hauptscharführer hatte mich kurz angesehen, aber ich reagierte auf gar nichts mehr.
    Jetzt lief er die Treppe wieder hinunter, und alle anderen nahmen rasch Platz, um ihre Mahlzeit fortzusetzen. Emil war auch dabei. Ich zwängte mich neben den Mann, der Eva Mandelbaum in den Ofen geschoben hatte. Er nahm einen großen Bissen von einer Fleischpastete. »Komiker«, sagte er kauend. »Komiker! Was warst du vor dem Krieg? Boxcham pion?« Andere lachten höhnisch.
    Ich schwieg.
    »Morris.« Er reichte mir eine große, fleischige Hand. »Aus Nordpolen, nahe an der früheren deutschen Grenze.«
    »Ernst Hoffmann, Amsterdam.«
    »Wir wissen, was du für die alte Dame getan hast«, sagte er. »Das war gut. Das war schön. Wenn du geglaubt hast, auf den Belgier losgehen zu müssen, dann mit gutem Grund.« Wieder ein unverschämt großer Bissen. »Was hat er gemacht?«
    »Er …« Ich zögerte.
    »Ja?«
    »Er hat einen Witz erzählt.«
    Morris legte seine Pastete weg und sah mich verblüfft an. Dann lachte er polternd. Der ganze Tisch stimmte mit ein, grob und laut. Mir blieb nichts anderes übrig, als beschämt mitzulachen.
    Morris riss Papier von einer Klorolle und wischte sich den Mund damit ab. Er hatte Schluckauf vor lauter Lachen. »Wenn wir hier anfangen, uns wegen eines Witzes umzubringen, bleibt keiner mehr übrig.«
    »Es war ein Witz im falschen Moment«, warf ich zaghaft ein.
    »Hier gibt es nur falsche

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