Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
Vom Netzwerk:
hinübergewechselt. Gut möglich, dass die Kno chen, die ich zermahlte, von ihm waren. In diesem Fall brachte ich ihn ein zweites Mal mit brutaler Gewalt um. So schlimm war der Witz nun auch wieder nicht gewesen.
    Ich arbeitete mit Zdenek zusammen, jenem Polen, der mir am Vorabend gegenübergesessen hatte. Er bemerkte ebenso zynisch wie zutreffend, dass wir es jetzt wenigstens nicht mehr mit Menschen aus Fleisch und Blut zu tun hatten. Die fahlweißen Knochensplitter, manchmal so klein wie Fingernagelreste, wurden zusammengefegt, in eine Schubkarre geschaufelt und in einen Teich geschüttet. Ich erfuhr, dass die Asche später in einen nahe gelegenen Fluss oder als Dünger auf die Felder gestreut würde.
    Zdenek war Notar gewesen – ein sanfter, kultivierter, gebildeter Mann. Ich staunte, dass er sich in so einer furchtbaren Umgebung behaupten konnte. Seine Hand war immer noch verbunden. Eine Brandwunde, sagte er, von seiner Arbeit als Heizer an den Öfen. Als die Zwölf-Uhr-Sirene losheulte, lehnten wir uns mit Kaffee und altem Brot an die rote Backsteinmauer. Neben uns lagen aufeinandergeschichtete Baumstämme aus weißem Birkenholz, die bestimmt drei Meter lang waren. Damit wurde das Feuer angeheizt.
    Ich blinzelte in die Sonne, ein SS -Mann näherte sich uns. »Das ist SS -Unterscharführer Henschel«, flüsterte Zdenek. »Der wird dir bestimmt seinen Lieblingswitz erzählen.«
    »Was ist der Gag?«, fragte ich rasch.
    »Drei vorne, vier hinten und sieben in den Aschenbecher.«
    Der SS -Mann hatte uns fast erreicht. Ich sprang auf und nahm eine kerzengerade Haltung ein. »Häftling eins-sieben-drei-fünf-vier-fünf. Zu Befehl, Herr Unterscharführer!«
    Er lachte. »Ja, ja schon gut.«
    »Jawohl, Herr Unterscharführer.«
    »Du bist Komiker, nicht wahr?«
    »Jawohl, Herr Unterscharführer! Komiker, jawohl!« Ich schrie beinahe.
    »Immer mit der Ruhe. Ich habe einen guten Witz für dich. Wie bekommt man vierzehn Juden in einen Volksw …«
    »Drei vorne, vier hinten und sieben in den Aschenbecher. Zu Befehl, Herr Unterscharführer!«
    Er musterte mich misstrauisch. Ich zeigte keinerlei Regung und stand weiterhin stramm. Deutscher als deutsch.
    »Na gut, stehen Sie bequem.«
    Kopfschüttelnd entfernte er sich. Während ich stocksteif stehen blieb und auf den Horizont starrte. Erst als Henschel verschwunden war, setzte ich mich wieder und nahm einen Schluck von unserem lauwarmen Kaffee. Birkenrindenkaffee. Auch hier.
    »Tu das nie wieder!«, sagte Zdenek. Ich sah zur Seite, denn er war wütend.
    »Mach dir keine Sorgen. Ich spüre schon, wie weit ich gehen kann. Das ist mein Beruf.«
    »Den Komiker kannst du gern im Theater geben, aber nicht hier! Willst du zusammengetreten werden? Von mir aus. Nun sorg bitte das nächste Mal dafür, dass ich nicht in der Nähe bin.«
    »Ich verstehe. Tut mir leid.«
    Wir schwiegen.
    »Warum tun wir das?« Die Frage kam ganz spontan.
    Zdenek dachte nach. »Weil wir keine Wahl haben«, antwortete er niedergeschlagen.
    »Keine Wahl? Wir haben immer eine Wahl.«
    »Sie erschießen dich auf der Stelle. Und wenn wir es nicht tun, übernehmen es die anderen.«
    »Aber wenn es keiner von uns tut, müssen die Deutschen die Leichen selbst beseitigen. Und dafür haben sie nicht genug Leute. Dann würden sie nicht mehr mit den nachströmenden Juden fertig, und es würden viel weniger Menschen sterben oder etwa nicht?«
    »Das stimmt. Das stimmt. Eigentlich gibt es keine Entschuldigung. Glaub bloß nicht, wir wüssten das nicht! Was mich angeht: Ich wurde reingelegt: Ein guter Posten. Keine Kälte. Genug zu essen. Wer will das nicht? Und jetzt tue ich, was man von mir verlangt. Warum? Ganz einfach: Ich habe nachgegeben, weil ich überleben will.«
    Am Nachmittag mussten wir uns erneut im Keller melden, im Auskleideraum. Dort begegnete ich auch wieder Emil. Und dem Deutschen, der am Vortag mit dem Lichtschalter gespielt hatte. Jetzt stand er eindeutig nicht unter Alkoholeinfluss. Er strahlte, als er mich sah. »Ah, der Komiker! Noch nie habe ich erlebt, dass Juden gelacht haben, bevor sie in den Bunker gingen. Du machst deine Arbeit ausgezeichnet.«
    Ja, genau wie die englischen Piloten. Wie gern ich ihm das gesagt hätte!
    Es kamen wieder zwei große Transporte, aber erst waren die Häftlinge an der Reihe. Sie sollten angeblich in ein ande res Arbeitslager verlegt, aber vorher noch »entlaust« werden. Zdenek war niedergeschlagen. »Die wissen genau, was mit ihnen geschieht.«
    Eine halbe

Weitere Kostenlose Bücher