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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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war.
    Mit angespannter Miene betrat der Kommandant die Garderobe. »Ist das das Niveau, das wir von Ihnen erwarten dürfen, Hoffmann?« Sein Ton war barsch. Ich stand hastig auf. Grosso war bei den Musikern.
    »Wie meinen Sie das, Herr Obersturmbannführer?«
    »Die Vorstellung. Fanden Sie das komisch?«
    »Ich …«
    »Fanden Sie den Clown lustig?«
    Ich schwieg.
    »Ihrer Jüdin geht es bereits besser«, sagte der Kommandant. »Aber angesichts der Qualität Ihrer Darbietungen muss ich leider den Schluss ziehen, dass Sie ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben.«
    »Wie meinen Sie das, Herr Obersturmbannführer?«
    »Ihre Jüdin wird in die Baracken zurückkehren, zurück in den Lageralltag. Das dürfte Sie wohl kaum erstaunen. Sobald Ihre Auftritte wieder besser werden, denke ich erneut darüber nach.«
    Ich spürte, wie alles Blut aus meinem Gesicht wich. Ich brachte kein Wort mehr heraus.
    Der verbissene Zug um den Mund des Kommandanten verzerrte sich zu einer Grimasse. Er begann immer lauter zu lachen.
    »Mensch, Hoffmann, wo ist bloß Ihr Sinn für Humor ge blieben? Das war ein Witz! Sie und der Clown waren ein fantastisches Duo. Ach, Sie sind ja ganz blass geworden. Was die Liebe mit einem Menschen nicht alles anstellen kann! Ich habe Ihnen Angst eingejagt. Aber: Sie haben mir auch Angst einge jagt. Ich dachte wirklich, der Clown hätte Angst vor uns.« Er musterte mich scharf. »War dem so, Herr Hoffmann?«
    »Nein, Herr Obersturmbannführer.«
    »Sie sagen mir doch die Wahrheit?«
    »Selbstverständlich, Herr Obersturmbannführer. Auch im Namen des Clowns betrachte ich es als Kompliment, dass sich sogar so ein Theaterkenner wie Sie an der Nase hat herumführen lassen.«
    Er nickte friedlich. »Was soll ich sagen, Hoffmann: Nur im Theater mag ich Überraschungen. Und dafür sind Sie zuständig, nicht wahr? Jetzt steht es eins zu eins. Haha!«
    Ich versuchte, mitzulachen.
    »Wegen Ihrer Jüdin kann ich Sie beruhigen. Ich halte mich an unsere Abmachung, ja ich tue sogar mehr als nur das: Ich nehme Ihre Jüdin in mein Haus auf.«
    Ich sah ihn verblüfft an.
    »Ja, Sie haben richtig gehört. Sie kann auf die Kinder aufpassen. Ich habe das bereits mit meiner Frau besprochen. Sie bewundert Sie! In Kürze feiern wir Kindergeburtstag. Meine Frau hätte gern, dass Sie dann auftreten. Als Zauberer. Soweit ich weiß, können Sie das auch?«
    »Das stimmt …«
    »Dann können Sie mit Ihrer Jüdin zusammen sein. Der Clown soll ruhig mitkommen. Denn was wäre das schon für ein Clown, wenn er nicht Kinder begeistern könnte?«
    »Gewiss, Herr Obersturmbannführer.«
    »Unternehmen Sie was Schönes mit Ihrer Jüdin. Sie brauchen beide neue Kleider. Deshalb erlaube ich Ihnen, mit Ihrer Jüdin ins Effektenlager zu gehen. Nach Kanada. Schuhe, ein Anzug, ein Kleid – suchen Sie sich was aus. Es ist schließlich genug da!«
    »Aber Herr Obersturmbannführer … das geht doch nicht einfach so?«
    Er machte eine großzügige Geste. »Natürlich, Herr Hoffmann. Die SS weiß sehr wohl, wie man sich erkenntlich zeigt! Sie bekommen dafür die Armbinde eines Kapos. Ich gebe Ihnen einen Brief mit, den Rest wird Ihnen der Blockführer persönlich erklären.« Er zog die Handschuhe an und versetzte mir im Gehen einen kräftigen Schlag auf die Schulter. »Ich habe Sie ganz schön erschreckt, was? Sie, einen Komiker! Manchmal denke ich, ich habe meinen Beruf verfehlt. Ich hätte auch zum Theater gehen sollen, finden Sie nicht?«
    32
    Helena war aus der Besenkammer entlassen worden. Sie durfte in einen normalen Krankensaal, in dem weibliche Kapos lagen.
    »Ihrer Jüdin geht es gut«, sagte der Arzt, ohne von seinen Krankenakten aufzusehen. »Nicht viele Patienten in ihrem Zustand erholen sich so schnell vom Fleckfieber. Ich bin beeindruckt.«
    Während er loszog, um sie höchstpersönlich abzuholen, wartete ich auf dem Gang. Ich musste an Doktor Levi denken, den ich nie mehr gesehen hatte. Hoffentlich war er nicht selbst zum Patienten geworden. Irgendwo lief wieder ein Radio, eine Nachrichtensendung, doch ich konnte die Meldungen nicht verstehen, weil es zu sehr rauschte. Ich war noch immer ganz benommen von der großzügigen Geste des Kommandanten: Wir durften uns Kleider aussuchen. Und Schuhe. Ein unglaubliches Privileg.
    Helena wurde vom Arzt und einem weiblichen Kapo um die dreißig begleitet. Letztere hatte halb langes blondes Haar und trug einen gestreiften, knielangen Rock. Sie wirkte intelligent, war schlank, aber nicht mager und

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