Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
Vom Netzwerk:
langsam dunkel.
    Ich hörte Schritte. Ein Riegel wurde aufgeschoben. Die Luke zu meinen Füßen öffnete sich quietschend.
    »Raus!«
    Ich wurde an den Knöcheln gepackt und aus der Zelle gezogen. Ich schrie und konnte gerade noch rechtzeitig den Kopf mit den Händen schützen. Zwei Männer schleiften mich durch einen schmalen Gang, in den fahles, gelbliches Licht fiel. Man stieß mich grob in ein Zimmer, in dem ein SS -Offizier hinter einem Holztisch saß, auf dem seine Mütze und eine Reitpeitsche lagen. War das nicht einer der biederen, Witze reißenden Familienväter vom Kindergeburtstag? In der Ecke stand ein muskulöses Schwarzhemd mit einer Henkervisage. Er lächelte mich an, als sei er in mich verliebt. Ich zitterte.
    »Ach, der Komiker«, sagte der Offizier mit eiskalter Stimme. »Setzen Sie sich, bitte.« Ich nahm zögernd auf dem Stuhl gegenüber Platz.
    »Sie wissen, warum Sie hier sind?«
    »Ich nehme an wegen des Vorfalls mit der Gasdose, Herr Offizier.«
    »Herr Sturmscharführer!«
    »Verzeihung, Herr Sturmscharführer.«
    »Vorfall, so, so. Sie meinen das Attentat.«
    »Das halte ich für wenig wahrscheinlich, Herr Sturmscharführer.«
    »Für wenig wahrscheinlich, aber durchaus für möglich.«
    »Der Clown hätte so etwas niemals planen können. Ich wusste nichts davon. Angesichts seines Charakters halte ich es allerdings für ausgeschlossen, Herr Sturmscharführer.«
    Er legte die Hand auf den Tisch und schob seine Offiziersmütze mit dem Zeigefinger gespielt geistesabwesend hin und her. »Der Clown ist tot.«
    Ich schloss die Augen.
    »Das ist auch besser so«, fuhr er fort. »Wir haben willkürlich sieben Orchestermitglieder ausgewählt und sie beim Abendappell aufgehängt. Nein, das war ein Attentat. Und wissen Sie, was ich glaube? Dass Sie ihm dabei geholfen haben.«
    »Nein, nein, ich …«
    Er nickte dem Henker zu. Der löste sich von der Wand und stellte sich hinter mich. Ich spürte, wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich. »Sie müssen mir glauben, Herr Sturmscharführer!«
    Ich bekam eine brutale Ohrfeige. Kurz war ich taub. Anschließend spürte ich einen heftigen, stechenden Schmerz.
    »Das war das Werk eines Einzeltäters, das müssen Sie mir glauben! Grosso dachte vermutlich, dass Thunfisch oder Kaviar in der Dose sei. So dumm und ahnungslos kann nur ein Clown sein! Und ich bin fest davon überzeugt, dass er nicht lesen konnte!«
    Ich wusste, dass ich bei dieser Version bleiben musste. Ich dachte an Helena. Für sie würde ich kaum noch etwas tun können. Erst recht allerdings nicht, falls ich ein »Geständ nis« ablegte. Für mich wäre es jedenfalls der sichere Tod. Man würde mich wieder in die Zelle werfen und dort vergessen.
    »Ziehen Sie sich aus«, sagte der Offizier gelassen. Der Henker griff nach der Reitpeitsche. Alles Betteln war sinnlos und würde mir nur zusätzliche Schläge einbringen. Ich zog Jacke und Hemd aus.
    »Sie haben dem sogenannten Clown geholfen. Wer war außer Ihnen an dem Attentat beteiligt?«, fragte er gelangweilt.
    Ich schüttelte den Kopf. Sofort sauste die Peitsche auf meinen unteren Rücken nieder. Es tat höllisch weh. Ich schrie.
    »Wie Sie sehen, verstehen wir hier keinen Spaß, Herr Komiker. Ihre Erklärung ist amüsant: Der Clown wusste von nichts. Aber sehen Sie, dass hier irgendjemand lacht?« Wieder ein Nicken, wieder wurde mit der Peitsche ausgeholt.
    »Ich glaube nicht, dass es ein Attentat war«, schrie ich. »Ich sage die Wahrheit! Und wenn es ein Attentat war, weiß ich nichts davon!«
    »Sie lügen.«
    Ich bekam drei Schläge hintereinander, hörte mich brüllen wie von ganz weither, so als ginge es um einen völlig Fremden. Mir wurde schwindlig, und ich verlor das Bewusstsein.
    Wasser. In meiner Nase.
    Der Henker schüttete mir Wasser ins Gesicht. Ich prustete und hustete und versuchte aufzustehen.
    »Setzen Sie sich wieder!«, befahl der Offizier.
    Ich schleppte mich stöhnend zum Stuhl. Mein Rücken brannte. Wie lange hatte ich bewusstlos auf dem Boden gelegen? Zehn Sekunden? Eine Minute?
    »Wer war außerdem an dem Komplott beteiligt?«
    Ich bekam einen Schlag auf meine Wunden. Mir drehte sich erneut alles. Ich hörte ein Lachen, das irre, gestörte Lachen eines Verrückten. Der Offizier verzog keine Miene. War ich das? Wieder Peitschenhiebe, diesmal noch härtere, noch brutalere. Doch das Gelächter hörte nicht auf.
    Irgendwer sagte am Ende etwas zu mir, in einem ruhigen, wenngleich bestimmten Tonfall. Dann wurde ich in mein

Weitere Kostenlose Bücher