Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
Vom Netzwerk:
aufgestellt. Ist Ihnen das aufgefallen? Ich sah, wie ein SS -Mann Lichterketten in die Bäume hing. Ich stieg auf die Leiter, als er rief: ›Was machst du da!‹ Darauf ich: ›Fantastisch, dass mein Geburtstag so gefeiert wird, aber das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen!‹«
    Große Heiterkeit.
    Obwohl ich meine Grenzen kannte, wollte ich den Spielraum, den ich hatte, nutzen. In besseren Kreisen zeugte das Lachen über einen guten Witz von Bildung, Kultur und guten Geschmack.
    »Es heißt immer, Deutsche hätten keinen Humor. Das ist genau so ein Unsinn wie die Behauptung, der deutsche Russlandfeldzug sei gescheitert!«
    Jetzt schnell weitermachen.
    »Worum geht es letztendlich? Doch um die Lieber oder?«
    Die SS -Leute in den ersten beiden Reihen lächelten angestrengt.
    »Ich möchte Ihnen gern ein Lied vorsingen. Kein Geringerer als Ihr Dirigent Albert Kapinsky wird mich am Klavier begleiten!«
    Applaus. Tatsächlich.
    Wie vereinbart erschien Kapinsky vor dem Vorhang. Er verbeugte sich, nahm hinter dem Klavier am Rand der Bühne Platz und sah mich an. Ich nickte und wandte mich an das schwarze Publikum, das zuhören durfte, obwohl dieses Lied nur einer Frau gewidmet war.
    Ich hab es bei Tag den Blumen erzählt
    Ich liebe dich …
    Ich habe es bei Nacht den Sternen erzählt
    Ich liebe dich …
    Ich singe es hinaus in die Welt
    Dass eine mir nur noch gefällt
    Das bist du, das bist du
    Nur du …
    Und höre ich Musik, dann singt jeder Ton
    Ich liebe dich
    Die Spatzen am Dach, die pfeifen es schon
    Ich liebe dich
    Mein Herz ist von Sehnsucht erfüllt
    In Träumen erscheint mir dein Bild
    Das bist du, das bist du
    Nur du …
    Stille.
    Ich hörte ein Klatschen. Doch nur den Beginn eines Klatschens, mehr nicht. Es kam von einer Person. Sollte die Einzige, deretwegen ich hier stand, auch die Einzige sein, die applaudierte?
    Grosso latschte auf die Bühne. Schon sein traniger Blick rief Gelächter hervor. Wie immer erschien er im völlig falschen Moment: Ich war noch nicht fertig. Aber ich beließ es dabei.
    »Grosso! Meine Damen und Herren, hier ist Grosso!«
    Der Clown heimste tatsächlich Applaus ein. Er verbeugte sich tief und verharrte so. Das Gelächter schwoll an – wieder so ein genialer Einfall! Ich ging auf ihn zu und klopfte ihm auf den Rücken.
    Er rührte sich nicht.
    Ich lachte verlegen ins Publikum und bückte mich, um Grossos Gesicht sehen zu können. Er wandte mir den Kopf zu. Indem ich den Daumen hob, machte ich ihm klar, dass er sich wieder aufrichten durfte. Er gehorchte. Ich beklatschte ihn, und das Publikum machte mit.
    Wieder verbeugte er sich.
    Ich schüttelte ungeduldig den Kopf. Klopfte ihm erneut auf den Rücken, bückte mich und hob den Daumen. Langsam richtete er sich auf.
    Wieder Applaus. Ich ermahnte das Publikum hastig zur Stille, aber es war bereits zu spät.
    »Nein, Grosso! Nein!« Jetzt war Tempo gefragt, sonst wurde der Witz langweilig. Grosso spürte das ebenfalls. Er richtete sich erneut auf und zeigte umständlich auf die erste Reihe. Der Reichsführer lächelte. Grosso stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt die flache Hand so hoch wie möglich.
    »Ja, Grosso«, sagte ich seufzend. »Er ist sehr groß.«
    Gelächter.
    Er schickte einen Luftsprung hinterher.
    »Ja, ja Grosso, er ist noch größer.«
    Er lief wieder zu Himmler und verbeugte sich tief. Ich lachte den Reichsführer zuckersüß an und stieß den Clown grob zurück. Der strauchelte und stürzte.
    Wieder Gelächter.
    Grosso rappelte sich auf und ging nach vorn. Er würde sich doch nicht noch einmal verbeugen? Nein, er hob den Finger, als fiele ihm gerade etwas ein, und holte etwas aus seiner Tasche. Ich sah nur seinen Rücken. Auf einen Schlag kippte die Stimmung. Das Gesicht des Kommandanten verfinsterte sich. Grosso stand vor dem Saal, seine Füße zeigten nach außen. Was hatte er in der Hand? Er drehte sich zu mir um, und erst da sah ich es.
    Er hatte eine grüne Gasdose in der Hand!
    Was jetzt?
    Grosso machte Drehbewegungen mit Daumen und Zeigefinger. Bat er um einen Dosenöffner? Es war, als spielte ein Irrer mit dem Stift einer Handgranate. Die Nervosität im Saal wuchs. Der Kommandant stand auf und gab einem SS -Mann am Rand ein Zeichen. Ich hörte, wie ein Gewehr entsichert wurde.
    Musste ich eingreifen?
    Grosso bückte sich und legte die Dose auf den Boden. Er hatte die Schere vom Frisiertisch mitgenommen! Mit Gewalt rammte er die Spitze in die Dose. Er roch daran! Stocksteif blieb er stehen und

Weitere Kostenlose Bücher