Das Laecheln der Chimaere
Was für ein Leben! Sergej hatte sich wirklich einen tollen Beruf ausgesucht. Sah man von kleineren Unannehmlichkeiten ab (wie zum Beispiel den häufigen Fehlinvestitionen und dem chronischen Geldmangel seines Reisebüros, das sich ausschließlich auf Extrem – und Abenteuerreisen spezialisiert hatte), so führte er ein wunderbares, erfülltes Leben. Sie dagegen . . .
»Na, und was ist sonst noch passiert? Wieso guckst du so sauer?«, fragte Krawtschenko.
»Du hattest Recht«, sagte Katja betrübt, »die ganze Sache in Krylatskoje war für die Katz. Völlig unnötig, niemand interessiert sich dafür.«
»Aber vielleicht hat das ja wichtige Gründe – woher willst du das wissen? Was ist es denn überhaupt, was du deinen Kollegen so dringend mitteilen willst?«
»Ich hätte mich nicht auf diese Komödie mit Egle Taurage einlassen dürfen. Wenn ich daran denke, was wir dort veranstaltet haben, in dieser Bar, wird mir glatt übel. Ich fühle mich, als wäre ich vor ihr schuldig.«
»Schuldig? Woran denn?«, fragte Wadim entrüstet. »Ewig quälst du dich mit solchen Gewissensbissen. Ich hatte dich ja gewarnt: Misch dich in diesen Fall nicht ein. Ein widerlicher Fall. Aber vor diesem armen Ding brauchst du dich wirklich nicht schuldig zu fühlen. Wenn hier jemand Schuld hat, dann der Besitzer dieses verfluchten Spielkasinos. Denn dieser ganze Totentanz findet ja nur seinetwegen statt. Er ist der Grund dafür. Er hat sie alle auf dem Gewissen – wenn dieser Spielhöllenkönig überhaupt ein Gewissen hat.«
»Du vergisst den Mörder«, sagte Katja. »Was ist mit seinem Gewissen? Also, du fragst, was ich meinen Kollegen unbedingt mitteilen will . . .Ja, langsam frage ich mich selber – was eigentlich? In diesem Fall scheint ja alles klar. Das Motiv liegt schon seit dem ersten Mord auf der Hand. Und trotzdem . . . Ich kann einfach nicht begreifen, warum der Mörder, dieser Maulwurf, so erpicht darauf ist, dass der › Rote Mohn ‹ geschlossen wird. Warum war er bereit, zu morden, zu verraten, den Maulwurf zu spielen? Weshalb hasst er Saljutow derart? Vielleicht gibt es dafür irgendeinen Grund? Vielleicht kennt Saljutow selbst noch einen anderen Grund – außer Geld und der alten Feindschaft gegenüber Milowadse aus dem jemand ihn so hassen und verfolgen kann?«
Krawtschenko schnaufte nur und zuckte die Schultern.
Wie spät es mittlerweile war, wusste Gleb Kitajew nicht. Immer noch lag trüber grauer Nebel vor den Fenstern des Vestibüls. Vielleicht war es ein endloser düsterer Morgen, vielleicht ein grauer Tag mit neuen Schneestürmen, vielleicht auch schon eine unerwartet frühe Abenddämmerung.
Die eine Flasche »Dolgoruki« war nur der Anfang gewesen. Saljutows Rat hatte Kitajew nicht befolgt. Er saß an der Bar vor einer ganzen Batterie von Flaschen.
Das Handy in der Tasche seines Jacketts, das er über den lederbezogenen Barhocker neben sich gelegt hatte, schrillte. Kitajew rührte sich nicht vom Fleck. Ihm war alles egal. Kaum war das Handy verstummt, klingelten die anderen Telefone – in der Verwaltung, im Raum der Wachmannschaft, unten in der Wachstube und oben in den Sälen – überall.
Als sie sich endlich beruhigt hatten, klingelte wieder das Handy in seiner Tasche. Hartnäckig und durchdringend. Kitajew streckte den Arm nach seinem Jackett aus.
»Ja? Was ist? Wer ist da?«
»Hier spricht Major Kolossow. Wir können bei Ihnen im Kasino niemanden erreichen. Was ist los? Warum geht niemand ans Telefon?«
Am liebsten hätte Kitajew diesen Bullen zum Teufel gejagt. Nur mit Mühe beherrschte er sich.
»Hier wird gestreikt.«
»Wissen Sie, ob Saljutows Sohn Philipp heute im Kasino gewesen ist?«
»N-nein, ich habe ihn nicht gesehen«, antwortete Kitajew und merkte, dass ihm die Zunge kaum noch gehorchte.
»Können Sie ihn ausfindig machen und sich mit ihm in Verbindung setzen?Jetzt gleich?«
»Ich?« Kitajew musste aufstoßen. »Wieso?«
»Sie haben mir doch von einer Wohnung erzählt, die Philipp zusammen mit dem Legionär gemietet hat. Kennen Sie die Adresse?«
»Wie-wieso?«
»Hören Sie mal, Sie sind ja betrunken!«
»Was geht das dich an«, schnauzte Kitajew grob in den Hörer. »Bin ich dir etwa Rechenschaft schuldig?«
»Kennen Sie nun die Adresse oder nicht?«
»Was wollen Sie von Lipa?« Kitajew bemühte sich, möglichst energisch zu sprechen, und stieß wieder auf.
»Jetzt streng gefälligst mal deine grauen Zellen an! Hast du verstanden, Kitajew!« Im Telefon polterte
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