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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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Farbe aus ihm. Nikita befürchtete schon einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt. Saljutow stützte sich schwer auf den Tisch, sein Rücken krümmte sich. Tiefer und tiefer beugte er sich über das rote Tuch. Aber plötzlich richtete er sich jäh wieder auf und schaute Kolossow fragend, abwartend an.
    »Vielleicht gab es in diesem Fall gar keinen Maulwurf?«, sagte Nikita leise. »Vielleicht sind die Morde aus ganz anderen Motiven begangen worden?«
    Vater und Sohn wurden in verschiedenen Autos untergebracht. Philipp saß zusammen mit Katja in Bindjushnys Shiguli, Saljutow wurde von Kolossow mitgenommen. Shanna, die sich von der Ohnmacht noch nicht wieder erholt hatte, blieb im »Roten Mohn« zurück, wo inzwischen ein Einsatzkommando aus Skarabejewka eingetroffen war. Noch vom Kasino aus hatte Nikita auch die Staatsanwaltschaft anrufen und Untersuchungsführer Sokolnikow informieren wollen, doch Katja hielt ihn zurück: »Ruf später bei der Staatsanwaltschaft an«, flüsterte sie. »Ich glaube, das wäre jetzt übereilt. Erst müssen wir einiges klarstellen.«
    »Was denn?«, fragte er.
    »Na, zum Beispiel, wie viele Pistolen in diesem Fall benutzt wurden.«
    Mehr sagte sie vorläufig nicht. Sie ging zu Philipp und erklärte ihm höflich, dass auch er mit zurück zum Revier müsse, damit seine Aussage dort protokolliert werden könne.
    »Oder haben Sie es sich vielleicht anders überlegt und möchten Ihre Aussage widerrufen?«, fragte sie ihn.
    »Nein«, antwortete Philipp. »Ich sage es jetzt und ich werde es vor Gericht sagen, dass er der Mörder ist.«
    »Warum vermeiden Sie eigentlich so sorgfältig das Wort › Vater ‹ ?«, erkundigte sich Katja.
    »Er ist für mich kein Vater«, sagte Philipp verächtlich, setzte sich in Bindjushnys Auto und schlug die Tür zu.
    Auf der Rückfahrt gab es auf der Rubljowskoje-Chaussee keine Staus mehr. Nikita war darüber heilfroh. Er hätte es kaum ertragen können, stundenlang nur in Gesellschaft des Kasinochefs, der starr wie eine Statue auf dem Rücksitz saß, warten zu müssen. Als sie die Brücke über die Glinka überquerten, begann es wieder zu schneien. Leichte Schneeflocken, schwerelos wie Daunen, tanzten im Licht der Straßenlaternen, erst vereinzelte, dann immer mehr. Am rostigen Geländer der Brücke, so kam es Nikita zumindest in der dichter werdenden Dämmerung vor, flatterte etwas Weißes im Wind. Irgendwelche Fetzen aus weißem Tüll . . . Wie ein zerrissener Hochzeitsschleier. Aber wahrscheinlich war es nur Schnee.
    Im Rückspiegel begegnete Kolossow dem Blick Saljutows. In seinen Augen las er nichts als Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit.
    Saljutow wandte sich vom Fenster ab. Die Brücke war längst in der Dunkelheit verschwunden. Aber trotzdem war sie noch immer hier und gegenwärtig. Und der Hochzeitsschleier, der sich am Geländer verhakt hatte, flatterte noch immer im Wind wie eine weiße Fahne, und dort in der Nacht brannte auf der Straße ein zertrümmertes Auto. Nur war es keine altmodische Hochzeitslimousine. Nein, Saljutow hatte immer, vom ersten Tag an, gewusst, dass es der BMW seines ältesten Sohnes Igor war, der auf der Chaussee loderte wie eine Fackel. Der BMW, den er damals sofort erkannt hatte . . . Den sie einmal alle zusammen im Autosalon am Kutusowski-Prospekt ausgesucht hatten, die ganze Familie, er, seine Söhne und Igors Frau, die schöne Marina, damals, als sie alle noch glücklich gewesen waren . . .

34
    Unterwegs rief Kolossow im Präsidium an und setzte die Situation seinem Vorgesetzten auseinander. In der Nikitski-Gasse stand man schon bereit und erwartete sie. Wieder wurden Vater und Sohn Saljutow getrennt und in verschiedene Büros geführt: der eine als Tatverdächtiger, der andere als Hauptbelastungszeuge. Es war eine seltsame Situation: Selbst bei der Kripo, wo man schon alles mögliche gesehen hatte, rief ein Fall, in dem der Sohn den eigenen Vater anzeigte, sehr widersprüchliche Gefühle hervor.
    Während der Diensthabende den Fahndungsaufruf für den verschwundenen Gleb Kitajew verfasste, nahm Nikita Katja beiseite und fragte sie: »Was meintest du mit den Pistolen?«
    »Ich möchte wissen, wie viele Pistolen es in diesem Fall gegeben hat. Die eine Makarow, mit der der Legionär erschossen wurde, haben wir ja jetzt. . .«
    »Die zweite ist die TT, die Vitas Taurage gehörte und mit der er im Kasino erschossen wurde, aber . . .«
    »Aber – du sagst es«, meinte Katja. »Aber wo ist die Pistole, mit der Teterin und

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