Das Laecheln der Chimaere
hinunter zu einer Tür mit der Nummer 17. In diesem Raum arbeiteten drei Techniker. Außer den üblichen Computern standen hier noch etliche andere Geräte und Apparate. Nikita zeigte Katja, wohin sie sich setzen sollte, und nahm dann neben ihr Platz. Er reichte ihr ein Paar Kopfhörer, setzte selbst die gleichen auf und sah damit aus wie ein jugendlicher Rockmusik-Freak.
Ein leises Rauschen in den Hörern, wie bei einem alten Plattenspieler. Ein Knarren . . . Es hörte sich an wie das Knarren eines ausgetrockneten Parkettbodens. Katja blickte Kolossow an, der nickte. Wieder Schritte. Ein Stuhl, der knarrte. Das dumpfe Geräusch einer zuschlagenden Tür. Nervöses, angespanntes Schweigen . . .
»Wie hast du erfahren, dass ich ihn erschossen habe?«, ertönte Saljutows Stimme in ihren Kopfhörern.
Katja zuckte unwillkürlich zusammen – es kam ihr vor, als stünde der Mann direkt neben ihr, nur durch einen undurchdringlichen Vorhang verborgen, der ihn unsichtbar machte.
»Warum schweigst du?«
Eine lange Pause. Dann wieder die leise und unendlich müde Stimme Saljutows: »Du hast es erraten, Philipp? Du hast es gleich erraten, weil du es diesmal nicht warst? So wie bei den anderen . . . bei Teterin, Egle und ihrem Bruder. Sieh mich nicht so an, Philipp . . . Ich weiß alles. Und was hast du nun damit erreicht? Mein Geschäft hast du ruiniert. Dabei hätte das alles doch einmal dir gehört.«
»Ich brauche nichts von dir.« Ein Aufschrei Philipps.
Und dann wieder Saljutows Stimme – aufrichtig erstaunt, wie es Katja schien, die begierig auf jedes Wort lauschte: »Warum? Sag mir doch, warum?«
»Das weißt du nicht? Hast du wirklich keine Ahnung, mein ach so kluger und erfolgreicher Papa?«
Nikitas Gedanken hinkten dem Dialog hinterher. Wann kann Saljutow erraten haben, dass es Philipp war, fragte er sich. In seiner Erinnerung tauchte das Gesicht des Kasinochefs auf, als der zusammen mit ihm, Kolossow, den Aussagen des Portiers Peskow lauschte und anschließend auch beim Verhör Philipps dabei war . . . Hatte er es damals schon geahnt? Denn Peskow hatte ja bei seiner Aussage nicht gelogen. Aber auch Philipp hatte nicht gelogen: Er hatte Teterin wirklich in der Toilette gesehen. Und Shanna hatte ebenfalls die Wahrheit gesagt. Zumindest in diesem Punkt. Sie hatte Teterin nicht gesehen, als sie auf der Suche nach dem Legionär den Raucherraum der Herrentoilette betreten hatte. Sie hätte ihn auch gar nicht sehen können, denn zu dieser Zeit lag er bereits leblos, mit einer Kugel im Kopf, auf dem Boden der Toilettenkabine. Nein, Philipp hatte nicht gelogen, als er sagte, er habe als Letzter den alten Mann lebend gesehen. Er hatte ihnen nur nicht alles bis zu Ende erzählt!
Hatte das sein Vater begriffen, als er seinen Sohn damals beim ersten Verhör beobachtete? Oder geschah das erst viel später? Und bis dahin hatte Saljutow tatsächlich an die Existenz eines Maulwurfs in seinem Kasino geglaubt?
Nikita holte tief Luft, als er sich an ein wichtiges Detail erinnerte, das eigentlich die ganze Zeit offen zutage gelegen hatte, aber trotzdem unbemerkt geblieben war, weil sein wahrer Sinn verborgen gewesen war. Nur Katja war es aufgefallen. Im Zusammenhang mit diesem Detail hatte Saljutow ihn, Kolossow, gefragt: Ist die Theorie vom Maulwurf die einzige, der die Miliz nachgeht, oder gibt es auch noch andere? Nach Egles Ermordung hatte er das gefragt, nachdem er aus dem Fenster seines Büros den dunklen BMW gesehen hatte, der so verblüffend dem Wagen seines umgekommenen Sohnes ähnelte . . .
»Das weißt du nicht?«, wiederholte Philipp. Seine Stimme im Kopfhörer klang schneidend scharf. »Denk mal gut nach, Vater . . .«
Katja und Kolossow warteten.
»Ich trage eine Schuld vor dir«, drang Saljutows Stimme zu ihnen. »Ich trage eine große Schuld vor euch allen.«
»Und das sagst du so einfach, so ruhig?« Philipp brach in lautes Gelächter aus. (Katja zückte zusammen – hätte er gebrüllt oder geflucht, es wäre weniger schrecklich gewesen.) »Du sagst, dass ich sie alle getötet habe! Und du selbst? Warst du es nicht, der Igor getötet hat?«
»Nein . . . nein! Das war ein Unfall . . .«
»Du lügst! Du belügst dich selbst. Du weißt es und hast es immer gewusst: Er hat es absichtlich getan. Es war ein Selbstmord. Das wissen alle, unsere ganze reizende Familie. Und du bist schuld an seinem Selbstmord. Hörst du?«, schrie Philipp. »Sie hat ihm damals alles erzählt, deine dreckige Schlampe! Sie hat ihm
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