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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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Wege.

6
    Schweigend führte Kitajew ihn in den ersten Stock.
    Aus den unten gelegenen Spielsälen hörte man laute, empörte Stimmen. Kitajew horchte angespannt.
    »Entschuldigung, aber wie lange soll das alles dauern? Wir können unsere Gäste doch nicht bis tief in die Nacht hinein festhalten. Wir gehen auch so schon ein großes Risiko ein. Womöglich verlieren wir unsere besten Kunden.«
    »Nun, ich denke, bis das Einsatzkommando die Papiere Ihrer Gäste überprüft und ihre Identität festgestellt hat.« Kolossow horchte ebenfalls. »Ich glaube, sie sind schon dabei.«
    »Die Papiere? Wozu das?« Kitajew blieb wie angewurzelt mitten auf der Treppe stehen. »Wir haben Ihnen doch schon diesen Maiski geliefert!«
    »So will es die Vorschrift, entschuldigen Sie. Es geht schließlich um Mord. Ich persönlich halte übrigens niemanden hier fest, wie Sie sehen. Aber der Untersuchungsführer der Staatsanwaltschaft hat seine eigenen Arbeitsmethoden.«
    Kitajew warf seinem Gesprächspartner einen misstrauischen Seitenblick zu, als wolle er abschätzen, wie viel Durchtriebenheit sich in dessen Antwort verberge. Der Lärm in den Spielsälen wurde immer lauter.
    Der Flur machte eine Kurve nach rechts. Kitajew führte Nikita durch einen überheizten Wintergarten mit gemustertem Parkett und gemütlichen kleinen Bänken, die zwischen Grünpflanzen versteckt standen. Sie gingen auf eine Tür am Ende des Wintergartens zu. Kitajew klopfte an und trat ein.
    Der Raum war weder ein Arbeitszimmer noch ein Geschäftsbüro, wie Kolossow erwartet hatte, sondern ein großzügig geschnittenes Esszimmer oder eigentlich schon ein Bankettsaal. Die Seidenstores vor den Fenstern waren halb zugezogen. In der Mitte stand ein ovaler Tisch, an dem leicht zwanzig Menschen Platz finden konnten.
    Jetzt aber war der Tisch nur für fünf Personen gedeckt. Die Bestecke, Teller, Fruchtschalen und Blumenvasen wirkten auf der weißen Fläche des Tischtuchs irgendwie verloren. Alles war noch unberührt.
    Am Kopfende des Tisches saß ein Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren. Er trug kein Jackett, nur dunkle Hosen und einen schwarzen Rollkragenpullover. Als er Kolossow erblickte, erhob er sich langsam und würdevoll. Eine teure Schweizer Uhr an einem massiven Platinarmband funkelte an seinem Handgelenk auf, als er ihm die Hand entgegenstreckte.
    »Guten Abend«, sagte er leise und ruhig. »Bitte nehmen Sie Platz.«
    Kolossow setzte sich an diesen königlich gedeckten und dennoch seltsam unlebendig und freudlos wirkenden Tisch. Vor ihm stand eine Vase aus böhmischem Kristall mit einen prächtigen Strauß dunkelroter, fast schwarzer Rosen darin.
    »Haben Sie etwas gefunden?«, fragte Saljutow. Er hatte eine tiefe, angenehme, zugleich aber auch irgendwie farblose Stimme. Eine graue Stimme, dachte Nikita. Auch Saljutows Augen waren grau, weit auseinanderstehend, sein dunkelbraunes Haar lichtete sich am Scheitel schon etwas und war an den Schläfen wie mit trockener Asche grau bestäubt.
    »Bis jetzt nur die Leiche«, antwortete Kolossow. »Ihre Angehörigen waren unten, sie sind jetzt wohl schon nach Hause ge-fahren. Wie ich hörte, hatten Sie einen Todesfall in der Familie. Darf ich Ihnen unser Beileid ausdrücken?«
    Saljutow nickte: Danke.
    »Sie haben Fragen an mich«, sagte er. »Ich will mich bemühen, Ihnen so gut wie möglich zu helfen.«
    Kolossow stützte die Ellbogen auf den Tisch. Die Sache begann ihn langsam zu interessieren.
    »Wissen Sie, ich hätte niemals eine so schnelle und professionelle Reaktion von Ihrem Sicherheitsdienst erwartet«, sagte er. »Ich bin angenehm überrascht, hier auf so viel Unterstützung zu treffen. Gewöhnlich scheut man an derartigen Orten die Miliz wie die Pest.«
    »Einer unserer Angestellten ist ermordet worden«, gab Saljutow zurück. »Sein Schicksal ist uns keineswegs gleichgültig. Er hat versucht, Widerstand zu leisten . . .«
    »Nun, das ist noch nicht ganz klar. Was den Widerstand gegen diesen Heroingauner angeht, meine ich.« Kolossow seufzte. »War das bisher der einzige derartige Zwischenfall bei Ihnen?«
    »Der einzige? Wovon reden Sie?«
    »Ist früher hier im Kasino schon einmal etwas Ähnliches passiert – Schießereien, gewalttätige Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten zwischen Spielern, Selbstmorde?«
    »Niemals.«
    »Und dieser Teterin, hat er schon lange bei Ihnen gearbeitet?«
    »Er hat über fünfundzwanzig Jahre lang in einer Lackfabrik hier in der Nähe gearbeitet. Als meine Firma

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