Das Laecheln der Chimaere
es, der den Opa abgemurkst hat. Oder Peskow.«
»Wieso der?«, wunderte sich Philipp.
»Richtig, das ist doch so ein Perverser.« Gasarow erwärmte sich offenbar ebenfalls für diese Theorie. »Aus der Armee ist er ja rausgeflogen. Da gab’s so eine dunkle Geschichte. Habt ihr ihm mal in die Augen gesehen, Jungs?«
»Na und?«, fragte Philipp.
»Du bist das Söhnchen vom Chef, bei dir hält er sich natürlich bedeckt. Da traut er sich nicht.« Gasarow grinste. »Aber gewöhnlich schaut er einen an wie die Schlange das Kaninchen. Augen, kalt wie Eis.«
»Dafür hast du, Aligarch, Augen wie südliche Nächte«, meinte der Legionär spöttisch.
»Das sind die Gene. Meine Mutter ist Ossetin.« Gasarow reckte sich ausgiebig. »Ich bin eben ein echter Bergbewohner. Also, ich danke euch – ihr habt mir aus der Klemme geholfen. Sobald ich wieder gewonnen habe, kriegt ihr die Moneten zurück. Das Wort eines Bergbewohners. Aber jetzt muss ich meine Mutter anrufen.« Er erhob sich gewandt, durchquerte den Raum und verschwand.
»Und wieso jagt Egle den nicht zum Teufel?«, fragte der Legionär nachdenklich.
»Sie liebt ihn«, antwortete Philipp.
»Ja, aber er behandelt sie wie Dreck.« Der Legionär schaute in seine leere Tasse mit den Schokoladeresten auf dem Grund, als wolle er aus dieser braunroten Masse die Zukunft lesen. »Und was wollte er von uns? Das Geld hätte er sich auch morgen noch schnorren können.«
Philipp wies mit den Augen schweigend zum Eingang – der Legionär saß mit dem Rücken zur Tür und sah den Gast nicht, der um drei Uhr morgens aus der Kälte ins »Cayo Coco« kam.
Es war eine Frau in einem dunkelbraunen Nerzmantel und einem schwarzen Filzhut. Platinblond, mit üppigen Locken. Allerdings war das nur eine teure, italienische Perücke. Philipp wusste das, weil er die Frau erkannt hatte.
Es war Shanna Basmanjuk – der Pit-Boss des Spielkasinos »Roter Mohn«.
Der Legionär drehte sich langsam um.
Sie kam auf ihren Tisch zu, setzte sich genau wie zuvor Gasarow ohne Aufforderung zu ihnen, knöpfte ihren Pelz auf und riss an dem gemusterten Seidenschal an ihrem Hals, als ob er sie ersticke. Aus den Tiefen des schokoladenbraunen Nerzmantels fischte sie Zigaretten und Feuerzeug heraus, zündete sich eine Zigarette an, tat einen tiefen Zug und stellte erst dann die erste Frage: »Wie darf ich das alles verstehen?«
»Soll ich euch allein lassen?«, fragte Philipp den Legionär.
»Wie du willst.«
Philipp ging zur Bartheke. Aber auch von dort konnte er jedes Wort verstehen. Das »Cayo Coco«, in dem freitags und am Wochenende lateinamerikanische Abende stattfanden, war berühmt für seine gute Akustik.
»Was bedeutet das?« Shannas Ton verhieß nichts Gutes.
»Das bedeutet – es ist aus, Shanna.« Die Stimme des Legionärs war leise und ruhig. Aber Philipp spürte, dass die Antwort seinem Freund nicht leicht fiel.
»Was heißt das? Was meinst du?«
»Aus. Vorbei.«
»Nein. Das . . . das kannst du nicht. Nicht mit mir. Das ist doch . . . Warum denn?«
»Weil es so besser ist, Shanna.«
»Habe ich dich irgendwie gekränkt?«
»Nein.«
»Hast du eine andere?«
»Nein.«
»Aber was ist dann geschehen?«
»Nichts. Es ist vorbei, Shanna.«
»Aber du . . .« Shanna nahm wieder einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette. Philipp sah, dass auch ihr dieses Gespräch nicht leicht fiel. Frauen um die vierzig hatten für ihn etwas Geheimnisvolles, Rätselhaftes. Ein Geheimnis umgibt sie wie ihr teures, auffälliges Parfüm und verbirgt sich in den feinen, vom Make-up sorgfältig kaschierten Fältchen in den Augenwinkeln und um die Lippen.
»Du warst doch derjenige, der angefangen hat, du warst ganz versessen auf mich«, sagte Shanna. »Ich habe dir geglaubt, ich dachte . . .«
»Was?«, fragte der Legionär.
»Dass du mich liebst.« Die Antwort klang irgendwie verlegen. Philipp fragte sich: War es einer Frau über vierzig etwa schon peinlich, von Liebe zu reden?
»Ich habe die ganzen letzten Tage nach dir gesucht, bei dir angerufen . . . Du bist vor Neujahr so unerwartet verschwunden.«
»Und schließlich hast du Aligarch gebeten, mich zu suchen? Vermutlich hast du ihn für seine Mühe noch mit einem Hunderter belohnt?«
»Ich habe auch dir Geld gegeben«, sagte Shanna.
»Hier hast du dein Geld zurück.« Der Legionär holte aus seiner Brusttasche mehrere zusammengefaltete Geldscheine, »hier, hier und hier. Danke, Shanna, danke für alles.«
»Schwein.« Sie blickte auf seine Hände,
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