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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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beschäftigt?«, fragte sie.
    »Mit der Beweisaufnahme.«
    Tja, Beweise . . . Theorien zum Mord an Teterin gab es nur wenige. Aber Beweise waren erstaunlicherweise vorhanden. Doch was bewiesen sie? Darüber war sich Kolossow vorläufig nicht klar.
    Es war ein seltener Fall in seiner Praxis, dass es Augenzeugen gab. Und gleich mehrere, die entweder die reine Wahrheit sprachen oder dreist logen.
    Der Portier Peskow zum Beispiel behauptete, er habe, kurz bevor man den ermordeten Teterin in der Toilette entdeckte, erst Philipp Saljutow und dann Shanna Basmanjuk dort herauskommen sehen. Philipp Saljutow benahm sich als Zeuge ziemlich sonderbar, jedoch enthielten seine Aussagen, vorausgesetzt natürlich, sie entsprachen der Wahrheit, die wertvolle Information, dass das Opfer zum Zeitpunkt ihrer flüchtigen Begegnung in der Toilette, also zirka um halb neun plus-minus fünfzehn Minuten noch am Leben und wohlauf gewesen war. Shanna Basmanjuk war vom Untersuchungsführer Sokolnikow verhört worden und hatte folgende Aussagen zu Protokoll gegeben: Sie habe Teterin an jenem Abend nicht gesehen, und die Herrentoilette habe sie selbstverständlich auch nicht betreten.
    So stand es mit den Zeugen. Aber bevor man sich Gedanken darüber machte, wem von ihnen man glauben durfte und wem nicht, musste man sich zunächst eine andere Frage stellen – aus welchem Grund konnte ein Mann wie Alexander Teterin ermordet worden sein?
    Kitajews Version, er sei das Opfer seines Berufs geworden, a1s er in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten den Bürger Maiski an dessen krimineller Absicht hindern wollte, die Gäste des Kasinos mit Heroin zu versorgen, hatte einiges für sich. Freilich war die beschlagnahmte Dosis verschwindend gering – in allen fünf bei Maiski gefundenen Beutelchen zusammen fanden sich kaum zwei Gramm der Droge.
    Nicht von der Hand zu weisen war auch die von Untersuchungsführer Sokolnikow vertretene Theorie, der unauffällige Toilettenwärter könne ein raffinierter Erpresser gewesen sein, der von irgendwelchen dunklen Geheimnissen der Angestellten oder der Gäste des Kasinos Wind bekommen hatte und dafür mit dem Leben bezahlen musste.
    Andererseits – welche Geheimnisse konnte ein armer Toilettenwärter kennen, der in dem Kaff Rasjesd an dem Flüsschen Glinka wohnte und eine kranke Frau und einen versoffenen Sohn durchfüttern musste?
    Im Gespräch mit Kolossow äußerte Sokolnikow die Ansicht, jeder, der an jenem Abend im »Roten Mohn« gewesen sei, habe den Mord begehen können. Und in diesem Punkt stimmte Nikita dem Untersuchungsführer vollauf zu. Die Art und Weise, wie das Verbrechen ausgeführt wurde, war auf den ersten Blick simpel: Der unbekannte Täter nutzt die Abwesenheit von Garderobier und Pförtner, schlüpft in die Toilette und schießt Teterin aus einer Pistole mit Schalldämpfer in den Hinterkopf.
    Aber hier stolperte man auch schon über die erste Ungereimtheit dieses Falls: das Missverhältnis zwischen der Person des Opfers und dem Risiko, das der Mörder mit seiner Beseitigung auf sich genommen hatte.
    Um den Toilettenwärter ins Jenseits zu befördern, musste der Täter etliche Hürden überwinden: eine Waffe am Sicherheitsdienst des Kasinos vorbeischmuggeln (und die Wachmänner waren wahrlich keine Trottel); den Mord in einem ziemlich ungünstigen Moment begehen, als bereits zahlreiche Gäste ins Kasino strömten; und schließlich nach dem Schuss noch einige Zeit in der Nähe der Leiche bleiben, um die Patronenhülse zu suchen und an sich zu nehmen, immer mit dem Risiko, jeden Augenblick ertappt zu werden.
    Wenn der Mörder diese ganze Mühe auf sich genommen hätte, um mit dem Besitzer des Kasinos abzurechnen oder mit einem der Geldsäcke, die hier Roulette spielten, wäre das begreiflich gewesen. Aber es war kein Bankier, kein Provinzbonze, kein Mafioso, sondern nur ein Rentner getötet worden.
    Die zweite Ungereimtheit war die Patronenhülse . . .
    »Woran denkst du, Nikita? Dein Essen wird ja kalt.«
    Das war Katjas Stimme. Kolossow seufzte auf, als erwache er aus einem Traum. Katja schaute ihn neugierig an.
    »Ach, nichts weiter, unwichtig. Möchtest du noch etwas?«
    Katja schüttelte den Kopf: Danke, ich bin satt. Zeit zu gehen.
    Als sie sich schon der Nikitski-Gasse näherten, klingelte Kolossows Handy. Es waren seine Kollegen aus der Mordkommission, die nach ihrem Chef suchten – an der Pforte wartete nämlich bereits Gleb Kitajew auf ihn, der wie verabredet gekommen war, um mit

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