Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
bedenken.
„Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass Harry sich dem König unentbehrlich macht“, regte Robin mit einem nachdenklichen Lächeln an. „Es ist ja nicht so, als hätte der König keinen Familiensinn. Und mehr als alles andere auf der Welt wünscht er sich einen Erben.“
Schluss der Urfassung
Windsor, April 1399
Windsor Castle im Frühlingssonnenschein war ein erhebender Anblick. Von allen Zinnen wehten Banner, und auf der Wiese im inneren Hof tummelten sich die zahlreichen Mitglieder des königlichen Haushaltes, deren farbenfrohe Kleider mit dem üppigen Blumenschmuck und den vielen Wappen um die Wette leuchteten. Es war so voll, und es herrschte ein so buntes Treiben, dass auf den ersten Blick kaum auffiel, was doch alle wussten: Mehr als die Hälfte der Ritter des Hosenbandordens hatten sich für dieses Jahr von den St.-Georgs-Feierlichkeiten entschuldigt und waren Windsor ferngeblieben.
„Dein Vater hatte irgendwie recht“, raunte Mortimer Raymond zu. „Es wird merklich leerer in England.“
Sie lehnten nebeneinander an der Mauer unweit der Stallungen und erweckten glaubhaft den Anschein, sich nützlich zu machen, wenn Neuankömmlinge eintrafen, für deren Pferde Platz gefunden werden musste.
Raymond regte sich unbehaglich und sah zum König hinüber. Er musste blinzeln; die Sonne schien ihm in die Augen. „Was wohl in seinem Kopf vorgeht?“
Der König und seine Königin saßen auf Thronsesseln auf einem mannshohen, prunkvoll geschmückten Podest und hatten so einen freien Blick über das festliche Treiben. Das Gesicht des Königs war ausdruckslos, eine Spur gelangweilt vielleicht, während er dem aufgeregten Geplapper seiner neunjährigen Gemahlin lauschte. Einen Schritt seitlich von ihm stand Harry, dem zum wiederholten Male die Ehre erwiesen worden war, dem König bei einem offiziellen Anlass aufzuwarten. Mortimer hatte die Direktiven vom Treffen der Verschwörer in Waringham mitgebracht und hatte Raymond und Harry die Absichten erklärt. Zähneknirschend hatte Harry also seine eisige Zurückhaltung seinem königlichen Onkel gegenüber aufgegeben und warb nun, sehr unaufdringlich und glaubhaft, um dessen Gunst.
„Armer Harry“, seufzte Mortimer. „Wie schrecklich muss es für ihn sein.“
„Das ist es“, stimmte Raymond zu. „Es macht ihn regelrecht krank.“
Raymond verbrachte mehr Zeit mit Harry als Mortimer, denn Mortimer wurde weiterhin häufig von seinem Vater in Anspruch genommen und sah sich gezwungen, ihm bei der Verteilung von Henrys Erbschaft an Richards Günstlinge behilflich zu sein. Raymond hingegen war ein ungebetener Gast bei Hofe, was er täglich auf die eine oder andere Weise zu spüren bekam, und seine einzige Daseinsberechtigung war die als Harrys persönlicher Diener. Also waren sie zusammen, wann immer Harrys Zeit es zuließ.
„Es ist nicht nur grässlich für ihn, es ist auch gefährlich“, fuhr er ärgerlich fort. „Keiner von den weisen Lords hat daran gedacht, was es bedeuten kann, wenn der König ein allzu wohlgefälliges Auge auf Harry wirft.“
„Was meinst du?“, fragte Mortimer verwirrt.
„Ich meine, dass der König Freude an hübschen Knaben hat …“
Beinah als habe er sie gehört, wandte Richard den Kopf plötzlich in ihre Richtung, und Raymond, Mortimer und alle, die in der Nähe standen, fielen auf die Knie und senkten die Köpfe.
„Als würden wir ihn anbeten“, brummte Raymond. „Dieses neue Hofzeremoniell hat etwas von Götzenverehrung. Bald wird er denken, er könne übers Wasser wandeln. Na ja, vielleicht ersäuft er ja …“
„Raymond“, warnte Mortimer leise.
Aber Raymond war noch nicht fertig. „Es heißt, die Höflinge Kublai Khans mussten auch auf die Knie fallen, wenn sein Blick sie traf. Was meinst du, Mortimer, denkt der König, er sei der wiedererstandene Kublai Khan?“
„Ein großes Maul und keinen Funken Anstand, ganz der Vater“, grollte eine tiefe Stimme über ihm, und eine behandschuhte Hand krallte sich in seine Haare. Raymonds Kopf wurde hochgerissen, und er sah, dass der König den Blick längst in eine andere Richtung wandte. Dieses Mal kniete eine kleine Gruppe nahe des Ordens-Pavillons.
Raymond kam auf die Füße und stand Auge in Auge mit dem Mann, der seine spöttischen Worte mit angehört hatte: Sir Patrick Austin, ein Bastard des legendären Sir Robert Knolles, Captain der königlichen Leibwache und vielleicht Richards treuester Untertan. Es hätte kaum schlimmer kommen
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